Wie so ziemlich alles im Segment der Luxus-Konsumgüter sind auch Zigarren eine Wissenschaft für sich. Auch hier ist teuer nicht automatisch gut und gutes längst nicht immer teuer. Schließlich gehört zu einer hervorragenden Zigarre noch viel mehr als ein beeindruckendes Preisschild. Wie erkennen wir also eine wirklich gute Zigarre? Welche Eigenschaften und Merkmale muss eine Zigarre aufweisen, damit sie in Fach- und Genusskreisen als hochwertig wahrgenommen wird? Gehen wir den Fragen nach.
Inhalt
Eigenschaften einer guten Zigarre
Zigarren sind eines der wohl größten Genussmittel, die unsere karibische Menschheit je gerollt hat. Ohne Frage waren es die amerikanischen Ureinwohner, die das aus Tabakblättern gerollte Konsumgut erfunden und einen derart unverwechselbaren Lebensstil mit den kleinen bis großen Nikotinstengeln geprägt haben.
Auch wenn Kolumbus dieses Genussmittel bereits im 15. Jahrhundert nach Europa brachte, konnte man die damaligen Zustände in der Tabakwelt nicht mit den heutigen vergleichen. Schließlich waren nicht nur die Lagerbedingungen auf der langen Überseefahrt nur schwerlich zu kontrollieren – die meisten Tabakstengel fielen vermutlich bereits den Seemännern zu Opfer. Schließlich lässt es sich mit einem gutem Rum, etwas Meerblick und einer guten Zigarre recht verträglich aushalten.
Die Zeit tut ihr Übriges. Und davon hatten die Seemänner genug. Womit wir auch schon beim ersten und wichtigsten Thema sind. Der Zeit. Unsere Zeit wird nicht nur täglich knapper und damit wertvoller, sondern ist auch bei Zigarren ein elementarer Faktor, der viel über die Qualität einer Zigarre aussagt.
Nur wenige Genussmittel fordern für so lange Zeit eine so hohe Aufmerksamkeit. Denn im Mittel kann sich der Abbrand einer guten Zigarre gerne über ein oder zwei Stunden hinziehen und ist damit nicht nur ein qualmiger Zeitvertreib, sondern absolute Meditation.
Dabei sagt die eigentliche Rauchdauer indirekt sehr viel über die Güte einer Zigarre aus. Schließlich wird die Rauchdauer überwiegend von dem Zigarren-Format beeinflusst, das wiederum von Tabak-Art, Verarbeitung und Zugverhalten geprägt ist. Und wo diese Faktoren aufeinander treffen, sind Aroma, Geschmack, Geruch und Co. nicht weit. Aber bevor wir auf die optisch und haptisch wahrnehmbaren Faktoren genauer eingehen, sollten wir zunächst die charakterlichen Züge genauer begutachten. Also quasi wie bei dem Umgang mit Frauen.
Aroma
Schon beim ersten Blickkontakt mit der Zigarre sind wir versucht, erste Aromen zu ahnen, bevor unserer Geruchssinn diese Eindrücke überhaupt wahrnehmen kann. Aromen sind oftmals jedoch nur eine sehr subjektive Wahrnehmung, auch wenn sie aus chemischer Sicht klar definiert sind. Während wir beim Wein von Zitrus, Vanille oder Pfirsich reden, kann die Zigarre sich vielmehr mit Kaffee, Toast, Karamell oder Schokolade identifizieren. Entscheidend ist hier nicht, wie stark die aromatische Ausprägung einer Zigarre ist, sondern ob wir überhaupt fähig sind, eine subjektive Wahrnehmung von Aromen zu erleben. Ist das der Fall, können wir zumindest davon ausgehen, dass die Zigarre so Einiges richtig macht und die nächsten Eigenschaften nicht in eine gustatorische Sackgasse führen.
Ausgewogenheit
Die Ausgewogenheit einer Zigarre beschreibt Ihre Balance zwischen den unterschiedlichen Eindrücken auf unsere Sinne und wird im Wesentlichen über die Nase wahrgenommen. Je ausbalancierter eine Zigarre ist, desto besser lassen sich ihre weiteren Eigenschaften identifizieren. Eine unbalancierte Zigarre verursacht in Stresssituationen eine negative Wahrnehmung wie einen bitteren, ungenießbaren Rauch oder modrige, torfige Geschmacksnoten, die weit über den klassischen „Pelz auf der Zunge“ hinausgehen.
Intensität
Die Intensität einer Zigarre beschreibt, wie intensiv sich Aromen in der Nase und am Gaumen wahrnehmen lassen. Der Nase kommt hier direkt eine Doppelrolle zu. Sie muss nicht nur beim Riechen der Aromen im „Kaltzustand“ oder im „Heißzustand“ (Rauch) die Intensität der Aromen beurteilen, sondern auch retronasal, also während der Rauch aus der Nase entweicht. Je intensiver wir eine Zigarre wahrnehmen, desto besser ist der erste Qualitätseindruck.
Komplexität
Die Eigenschaft der Komplexität beschreibt sich selbst schon ziemlich vortrefflich. Lassen sich die Aromen im Rauch gut differenzieren oder sind sie nur schwer auseinanderzuhalten? Dominiert ein Aroma im Geschmack oder verschwimmt die gustatorische Wahrnehmung? Ist das Gesamtbild rund und harmonisch oder eher kantig und gegensätzlich? Wie stark verändert sich das Aromenspiel im Rauchverlauf der Zigarre? Wie im ersten Dritte, im zweiten und im letzten Drittel? Wie lange bleiben die Eindrücke des letzten Rauchzugs in unserer Wahrnehmung?
Das sind nur einige der Fragen, die eine Zigarre komplex machen. Eine gute Zigarre muss nicht zwingend komplex sein. Doch je komplexer die Zigarre, desto mehr müssen wir uns mit ihr beschäftigen. Und mit guten Dingen beschäftigt man sich grundsätzlich lieber.
Konstruktion
Die Konstruktion einer Zigarre beschreibt ihre physische und mechanische Komponente. Ist die Zigarre fest gerollt oder hat sie weiche Stellen? Ist das Deckblatt samt Filler gleichmäßig gerollt und unbeschädigt oder schief? Ist das Zugverhalten gleichmäßig und leichtgängig oder eher schwergängig? Ist die Rauchentwicklung stark oder gering, der Abbrand schief oder gleichmäßig? Hält die Asche an der Zigarre und entsteht ein typischer Aschekegel beim Abstreifen oder verliert die Zigarre an Kontur?
Wie die Eigenschaften eine Zigarre beeinflussen
Aroma, Balance, Intensität, Komplexität und Konstruktion geben also bereits darüber Aufschluss, ob wir es mit einer guten Zigarre zu tun haben oder lediglich unsere Zeit mit erhöhtem Krebsrisiko und Schadstoffen in der Atemluft verschwenden. Ob eines davon der Fall ist, hängt dann in erster Linie von den nachfolgenden Attributen ab.
Zigarrentyp
Bereits beim Zigarrentyp kann man darauf schließen, ob eine Zigarre von hoher oder minderer Qualität ist. Ersteres lässt in der Regel auf einen Longfiller schließen, während Medium- und Shortfiller überwiegend im Bereich günstigerer Zigarren, Zigarillos und Zigaretten im Grabbelbereich der Tabakregale anzutreffen sind.
Im Longfiller werden nur ganze Tabakblätter gerollt, was grundsätzlich zu feineren und ausgewogeneren Aromen führt, während im Shortfiller gerne auch mal die übrigen Tabakreste verbastelt werden, quasi die Rumkugel der Zigarrenindustrie. Aber jeder weiß, dass auch eine Rumkugel verdammt lecker sein kann, wenn sie aus geübten Bäckerhänden stammt.
Herkunft
Das Herkunftsland war lange Zeit ein wesentlicher Indikator für die Qualität einer Zigarre. Insbesondere Kuba ist für seine jahrhundertwährende Tradition im Tabakanbau bekannt und für seine aromatischen, würzigen, erdig- mineralischen und kräftigen Tabaksorten berühmt, die das Land in Hochzeiten unter Fidel Castro zum berühmtesten Land im Tabakanbau gemacht haben. Grund dafür sind die besonderen klimatischen und geologischen Eigenschaften auf Kuba, die in Zusammenspiel mit einem sehr mineralischen Boden für hervorragende Bedingungen im Tabakanbau sorgen.
Gepaart mit dem traditionsreichen Handwerk der heimischen Torcedores konnte sich Kuba so zur Weltspitze der Zigarren aufschwingen, was dem Inselstaat noch heute nachhallt. Unter den strikten Reglements des kubanisches Regimes schmissen jedoch einige der besten Torcedores ihr kubanisches Handtuch und wanderten in die benachbarten Länder aus, um dort ihre eigene Zigarrenproduktion aufzubauen.
So zählen inzwischen auch Länder wie Nicaragua und die Dominikanische Republik zur Weltspitze der Zigarrenländer. Die Boden- und Klimaverhältnisse sind hier vergleichbar gut und das kubanische Know-How wird in den Tabacaleras noch immer gepflegt.
Tabak
Natürlich spielt der verwendete Tabak selbst die – wortwörtlich – größte Rolle, wenn es darum geht, eine gute Zigarre zu erkennen. Schon beim Anbau der Tabake wird bei der Ernte darauf geachtet, dass die Blätter von unten nach oben geerntet und unter dem subtropischen Klima langsam in speziellen Vorrichtungen getrocknet werden. Im Anschluss werden die Tabakblätter für die Fermentation vorbereitet.

Der Trocknungsprozess ist einer der wichtigsten Schritte bei der Zigarrenproduktion. Die Restfeuchte entscheidet.
In diesem Schritt entstehen viele der chemischen Verbindungen, die später das Aroma und den Geschmack einer Zigarre ausmachen. Einlageblätter werden nicht selten mehrfach fermentiert, um den Nikotingehalt der Blätter zu regulieren und das Aroma der Tabake noch weiter auszubauen. Rund ein halbes Jahr müssen die Blätter im Tabakstapeln reifen, bevor sie bereit für ihre Rolle sind. Wird in diesem Prozess aufgrund schnellerer Fertigungszyklen Zeit eingespart, macht sich das später visuell, nasal und gustatorisch bemerkbar.
Lagerung
Eine gute Zigarre ist nur dann einen Smoke wert, wenn Ihre Lagerung nicht vernachlässigt wurde. Das bedeutet, dass der Feuchtigkeitsgehalt in der Luft zumindest so hoch sein sollte, dass die Zigarren nicht austrocknet. In der Praxis liegt die ideale Humidität zwischen 67 und 73% relativer Luftfeuchtigkeit. Die meisten Humidore sehen 70% als optimale Marke vor. Darüber hinaus steigt das Risiko für die Vermehrung von Schimmelpilzen und weiteren Pilzsporen, die eine Zigarre ungenießbar machen können.
Für den Hausgebrauch empfehlen wir klassische Humidore von Adorini* oder elektronisch regulierbare Humidore von Klarstein*, mit denen sich die Feuchtigkeitsüberwachung penibel sicherstellen lässt.
Grundsätzlich ist es nicht weiter dramatisch, wenn eine Zigarre über kurze Zeiträume außerhalb dieses Sektors aufbewahrt wird, solange sie im Anschluss ausreichend Zeit hat, um verlorene Feuchtigkeit wieder aufzubauen. Ist der Tabak zu trocken, verbrennt er zu heiß und zu schnell und verhindert die volle Entfaltung der Aromen bis hin zur Bitterkeit. Ebenso kann zu feuchter Tabak das Aromenspiel massiv beeinträchtigen und schlechten Abbrand verursachen.

Nur wenn die edlen Tabakstengel in akkurat feuchtigkeitsregulierten Umgebungen lagern, kann sich der Rauchgenuss maximal entfalten!
Alter
Auf alten Schiffen lernt man segeln. Diese Weisheit gilt in gewisser Weise auch für eine gute Zigarre. Denn das sog. Aging macht den Smoke erst so richtig vollkommen. Und erst diese Vollkommenheit ermöglicht es uns, eine gute Zigarre von einer minder guten oder schlechten Zigarre zu unterscheiden. Als bekennender Aficionado weiß man, dass sogar zwischen zwei identischen Zigarren aus der selben Linie ein gravierender Unterschied feststellbar ist, wenn wir lediglich das Alter als Qualitätsmerkmal betrachten.
Dabei geht es nicht in erste Linie um die Reifezeit, die der Tabak schon im Produktionsprozess hinter sich hat, sondern vielmehr um die Zeit, die eine Zigarre nach seinem Kauf weiterhin im heimischen Humidor* lagert, bevor sie bei einem erstklassigen Rum wie dem Plantation XO verköstigt wird.
Wieder einmal ist es die Biochemie, die uns hier unter die Arme greift. Denn auch im Humidor unterliegt der Tabak einer langsamen Oxidation, bei der unter Einfluss von Sauerstoff chemische Bestandteile im Tabak zersetzt werden, was das Aromenspiel weiter ausbalanciert und ein rundes Geschmacksbild abliefert. Teure und seltene Zigarren wie die Cohiba Siglo VI aus der Linea 1492 sollten mindestens 1-2 weitere Jahre gelagert werden, bevor sie zur Geburt der Enkeltochter oder dem längst überfälligen Hochschulabschluss des Sohnes verköstigt werden.
Format
Das Format ist ein indirekter Indikator für gute oder schlechte Zigarren, weil sie aus subjektiver Sicht zu werten sind. Abhängig von unseren individuellen Vorlieben über Geschmack, Zugverhalten, Rauchdauer, Preis, Herkunft, Tabak und Aromenvielfalt kann das Format entscheidend sein, ob wir eine Zigarre als gut oder schlecht wahrnehmen. Am besten informierst du dich ausführlich über die gängigen Zigarrenformate, bevor du wahllos drauf los paffst.
Qualitätssiegel
Auch das Branding spielt bei Zigarren eine große Rolle. Die Banderole (Bauchbinde) ist das wohl auffälligste Merkmal einer Zigarre, das – Fälschungen außer acht gelassen – auf den ersten Blick verrät, woher die Zigarre kommt und in welcher Preisklasse sie einzuordnen ist. Historisch war die Banderole dafür bestimmt, die Finger beim Rauchen einer Zigarre vor Verfärbungen und Nikotingeruch zu schützen.
Dazu wurden bereits im 19. Jahrhundert feine Papierringe eingesetzt, die ein Aficionado ständig mit sich führte. Später erkannten die Zigarrenhersteller, dass die Banderole das ideale Marketinginstrument ist, mit dem sich inzwischen auch aufwändige Hologramme zur Fälschungsprävention stilecht unterbringen lassen. Besonders gut lässt sich das in der Bauchbinde von Cohiba erkennen.

Bauchbinde einer Cohiba Siglo VI mit feinen Hologrammen, die das Fälschen der Zigarren erschweren sollen.
Neben der Banderole gehen die Qualitätssiegel noch ein ganzes Stück weiter. In den meisten Manufakturen werden die einzelnen Zigarren einer Charge ausführlichen Qualitätskontrollen unterzogen, in denen nicht nur Ringmaß, sondern auch Feuchtigkeit, Färbung und Struktur der Deckblätter sowie Zugverhalten bei stichprobenartigen „Fabric Smokes“ analysiert wird. Wo man sich für diesen Job bewerben kann, versuchen wir gerade noch herauszufinden.
Gute Zigarre erkennen: Checkliste
Mit dieser Checkliste lässt sich mit etwas Vorwissen im Handumdrehen erkennen, ob es sich um eine gute Zigarre oder Zeitverschwendung handelt. Dabei ist der
Verarbeitung
- Ist die Zigarre maschinell und/oder nur teilweise per Hand verarbeitet und weist leichte Ungleichmäßigkeiten oder Beschädigungen auf? (Geringe Qualität)
- Ist die Zigarre „Hecho a Mano“, also überwiegend von erfahrenen Torcedors verarbeitet und gibt ein gleichmäßiges Gesamtbild ab? (Hohe Qualität)
- Ist die Zigarre als „totalmente a mano – tripa larga“ und damit vollständig von Hand gerollt und unter permanenter Qualitätssicherung entstanden? (Perfekte Qualität)
Zugverhalten
- Schlechtes Zugverhalten: Zug zu leicht, zu schwer oder im Rauchverlauf wechselnd
- Gutes Zugverhalten: Gleichmäßiges Zugverhalten über den gesamten Rauchverlauf, angenehmer Widerstand
- Perfektes Zugverhalten: Optimaler Zugwiderstand mit perfekter Rauchentwicklung über den gesamten Rauchverlauf hinweg
Deckblatt
- Minderwertiges Deckblatt: Sonnenflecken, Risse, Beschädigungen und z.T. Lochfraß im Erntestadium
- Hochwertiges Deckblatt: Gleichmäßige, leichte Adern, gleichmäßige Farbe
- Perfektes Deckblatt: Sehr gleichmäßig verlaufende Adern, gleichmäßiger Farbverlauf ohne Sonnenflecken oder Risse
Abbrand
- Schlechter Abbrand: Zigarre lässt sich schlecht entzünden, geht häufig aus, brennt schief und ungleichmäßig ab, neigt zu Tunnelbrand
- Guter Abbrand: Gleichmäßiges Abbrandverhalten, ggf. Wellen im Abbrand, ansonsten gerader Abbrand mit Selbstkorrektur
- Hervorragender Abbrand: Kerzengerader Abbrand mit stabilem Aschekegel ohne Tunnelbrand und optimalem Brandverhalten
Gute Zigarren erkennen wir nur, wenn wir sie rauchen
Ob eine Zigarre wirklich etwas taugt, erkennen wir spätestens beim Smoke in bester Gesellschaft. Nur wenn sich das warme, herz- und gaumenerwärmende Gefühl in uns breit macht, kann die Zigarre wirklich als gut betrachtet werden. Alles andere ist vielmehr subjektive Wahrnehmung, die bekanntlich jeder von uns anders auslegt. Von daher: viel Spaß beim Rauchgenuss!