Auch in diesem Jahr versprach die 67. IAA Nutzfahrzeuge Messe in Hannover große Innovationen, die frei orientiert am Motto „Driving tomorrow“ erneut überzeugte Brummifahrer, Logistiker und Entscheider aus aller Welt auf die bekannte norddeutsche Messe in der Nähe des Maschsees führen sollten. Schließlich deklariert die IAA auch in diesem Jahr erneut für sich, dass sie die weltweit wichtigste Leitmesse für Mobilität, Transport und Logistik sein will. Ob dieser Anspruch gerechtfertigt ist, wollen wir in uns in diesem Eventbericht etwas genauer anschauen.
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Strategische Elektromobilität ist sichtbar.
Veranstalter der Messe ist der Verband der Automobilindustrie (VDA), dem selbstverständlich alle namenhaften Hersteller angeschlossen sind. Manch einer möge von Lobby sprechen, der andere von einer fokussierten Umsetzungsstrategie für nachhaltiges Wachstum in der Deutschen Automobilbranche, das auch in ferner Zukunft das Rückgrat unserer gesamten Wirtschaft abbilden wird.
„Die Elektromobilität ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Industrie, Politik und Verbrauchern.“
So lässt sich Bernhard Mattes Kernaussage formulieren. Mattes ist Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) und damit maßgeblich an der strategischen Ausrichtung des VDA beteiligt. Und diese lautet: Elektromobilität. Die Automobilindustrie hat inzwischen eingesehen, das das Thema Elektromobilität eine der richtungsweisenden Komponenten sein wird, die über das Fortbestehen der Deutschen Wirtschaft, Energiebranche, Politik und der gesellschaftlichen Zustimmung sein wird, die auch inzwischen den weltweiten Klimawandel aus anderen Augen sieht.
Angesichts der letzten Dürreperioden, katastrophalen Regenfällen, Stürmen und Überflutungen muss man gar nicht erst darüber diskutieren, ob die durch unsere globalisierte Wirtschaft tagtäglich ausgestoßenen Millionen Kubikmeter an CO2 und Stickoxiden dazu beitragen, dass die Zukunftsaussichten für unser Klima auch weiter ziemlich dunkel sind.
Politik und Wirtschaft haben erkannt, dass es ihre Aufgabe sein muss, die Probleme in den Griff zu kriegen. Sie sehen zwar noch nicht immer ein, dass man dafür auch handeln muss. Erfolg hat im Unternehmertum drei Buchstaben: T, U und N. Das ist in der Politik grundsätzlich nicht anders. Nur mühsamer. Und das Tun beginnt auf Leitmessen wie der IAA Nutzfahrzeuge.
Schon beim Betreten des Messegeländes sticht das Kernthema der Messe in das Auge der Fachbesucher. Elektromobilität, urbane Logistik und Digitalisierung ist überall. Sogar als #Hashtag auf den wenigen Merchandise-Artikeln, die uns die freundlichen Hostessen in die Hände drücken. Wir treten in eine der größten Hallen ein, die branchenüblich von Mercedes-Benz Nutzfahrzeuge imposant in Szene gesetzt wird. Auch hier steht das Thema Elektromobilität unübersehbar im Fokus der neuen Modelle, die vom E-Actros sicherlich unbewusst dominiert wird.

Der Trend ist sichtbar. Damals vs. Heute. Nur mit 100% Elektro.
Digitalisierung und Elektromobilität als einzige Innovationstreiber?
Man darf nicht vergessen, dass sich die Messe mit rund 2.174 Ausstellern aus 48 Ländern auf einem internationalen Level bewegt, das Know-How und Innovationsdrang der ganzen Welt bündeln und komprimieren sollte. Schließlich bedeutet „Messe“ ja auch immer Konkurrenzdruck, Wettbewerb und Innovationsvorsprung, der lediglich kommerziell und politisch gut verpackt wird.
Neben den Sparten LKW/Nutzfahrzeugen, Bussen und alternativer Logistik sind auch die Trailerbranche und viele Zulieferer aus der gesamten Nutzfahrzeuge-Industrie mit an Board der IAA Nutzfahrzeuge 2018. Die IAA selbst gibt an, dass in diesem Jahr 435 Weltpremieren auf der Messe gefeiert wurden. Immerhin 30% mehr als im Jahr 2016.
Was unter den 435 Weltpremieren nun genau Premiere war, bleibt jedoch für die meisten Fachbesucher nur schwer ersichtlich. Dass wir ab sofort in vielen Kleintransportern und Logistik-Flitzern Akkus verbauen, die über digitale Assistenzsysteme, leistungsstarke Mikroprozessoren und smarte Sensorik an das Mobilfunknetz angeschlossen sind, war schon vor zwei Jahren ersichtlich.
Immerhin wissen wir jetzt per App und Logistiker-Software, wann unsere Fahrzeuge zuletzt tanken waren, wann sie wieder tanken müssen, wie schnell der geladene Warenstrom in das nächste Glied der Wertschöpfungskette übergehen kann und was uns der ganze Aufwand an Verschleiß einbringt. Ersetzen wir dann noch unsere klassischen Seitenspiegel durch eine Variante mit Kameras und digitalem Display, ist die Digitalisierung der Nutzfahrzeuge (fast) vollkommen.
Wäre da nicht noch die Sache mit der Elektromobilität. Bis zum Jahr 2030 müssen die großen Lkw-Hersteller ihre Emissionen um 30% reduzieren. Andernfalls könnte es Ärger mit der EU-Kommission geben, die ja auch „adäquaten“ Druck auf die übliche Automobilindustrie ausübt. In der Realität ist das natürlich nur erreichbar, wenn die Hersteller ihre Nutzfahrzeuge strategisch aggressiv auf E-Mobilität und alternative Antriebskonzepte umstellen und die manipulierten Diesel-Aggregate aus dem Programm nehmen. Konzepte wie Hybrid-Aggregate, Wasserstoff-Antrieb oder Erdgas-Konzepte sind hier natürlich mit einbegriffen.
Ob das gelingt, bleibt natürlich abzuwarten. Und ob es wirklich sinnvoll ist, einen Langstrecken-LKW vollständig auf ein Elektro-Antrieb umzustellen, der die Nutzlast eines 40-Tonners um rund 1/4 reduziert, weil er für seine hohe Reichweite ein exorbitantes Gewicht an Lithium-Akkumulatoren mit sich herumschleppen muss, ist auch ein diskussionswürdiger Ansatz.
Selbst wenn wir unseren Strom zu 100% aus ökologisch und erneuerbaren Energiequellen beziehen, müssen ja auch erst einmal diese „erneuerbaren“ Energiequellen aus den konventionellen Rohstoffen der Erde hergestellt werden. Zu unserem Glück gibt es noch genug seltene Erden auf dem Grund der Ozeane, falls der Minenvorrat in China irgendwann erschöpft sein sollte. Das lassen wir in der Gesamtkalkulation der Elektromobilität aber einmal bewusst unter den digitalen Tisch fallen.

Neue Antriebskonzepte stehen im Fokus der Messe. Und das müssen sie auch. Schließlich hat das Konzept der Abgasmanipulation irgendwann auch einmal ausgedient.
IAA Nutzfahrzeuge: Eine Messe für Entscheider
Unter den rund 250.000 Besuchern der Messe (Quelle: IAA) liegt ein Fachbesucher-Anteil von rund 80%. Darunter sind traditionell viele Entscheider aus der Nutzfahrzeuge- und Logistik-Branche, die auf der IAA Nutzfahrzeuge 2018 erneut nach lukrativen Investitionsobjekten suchten, mit denen die Abschreibungen der zukünftigen Bilanzen wieder auf Vordermann gebracht werden können. So wundert es nicht, dass das eigentliche „Highlight“ der Messe die mehr als 2.500 Kaufabschlüsse für LKW sowie 1000 Abschlüsse für LKW-Trailer hervorbrachte. Eine Messe für Entscheider von Entscheidern.
Betrachtet man die Messe aus den Gesichtspunkten wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und ökologischer Herausforderungen, dann ist für die nächsten Jahre noch viel zu tun. Die Chancen und Potentiale für alternative Antriebskonzepte sind zwar klar erkennbar, aber die Industrie hängt noch immer zu stark zwischen den Einflüssen der Politik und der eigenen Trägheit fest, um die Konzepte zielstrebig und wirtschaftlich an den weltweiten Markt bringen zu können.
Positiv überrascht hat die zunehmende Integration von KMU und Startups in das sonst sehr industriell geprägte Umfeld. So können die neuen Messe-Formate „LIVE“, „EXPO und „FORUM“ sicherlich zukünftig dazu beitragen, dass auch große und schwergängige Unternehmen von dynamischen Startups und der modernen Digitalwirtschaft profitieren. Wir müssen Synergien schaffen, die junge Unternehmen, innovative Ingenieurs- und Softwaretechnik und den Drang nach Umweltschutz vereinen, um so den Konzernen einen Kehrtwende zu ermöglichen, für die der eigene Wendekreis ansonsten einfach zu groß wäre.
Irgendwo dazwischen bewegt sich das übliche Korsett aus Politik, Medien und Wissenschaft, die allesamt gemeinsam am Strang der Elektromobilität ziehen wollen. Aber dieser rollt im Moment noch etwas unter Schwerlast über die maroden Autobahnen der Bundesrepublik. In Zukunft aber vielleicht ja sogar völlig autonom.

„Trucks you can trust“ – nach diesem Motto agieren auch die Entscheider auf der IAA. LKW-Kauf bei Kaffee, Kuchen und Wein.