Porsche 912 Wertsteigerung und Fahrtbericht

Kaum eine andere Frage spaltet das Lager der Porsche-Fans und Enthusiasten so sehr wie die Frage, ob ein echter Porsche mit lediglich 4 Zylindern auskommt. Betrachten wir dabei den Porsche 912, lautet die Antwort ganz klar: Ja! Denn das technische Herz des (inzwischen) klassischen Sportwagens aus Zuffenhausen knüpfte nicht nur fast nahtlos an die Entwicklungsbasis des legendären Porsche 356 C an, sondern führte auch die Tradition der Vierzylinder im Hause Porsche fort, die in der heutigen Zeit ein echtes Comeback zu erleben scheint. Es muss nicht immer ein Sechszylinder nach der „Flat-Six-Manier“ sein, das hat der 912er in seiner Laufbahn durchaus bewiesen. Aber taugt der Zwölfer auch auf der Straße und im eigenen Oldtimer-Portfolio etwas?

Porsche 912: Die Billigversion des 911ers?

Auf den ersten Blick mag diese Betitelung ziemlich gemein erscheinen. Gemein im Sinne von unfair. Oder eher – unberechtigt. Beachtet man nämlich, dass das vierzylindrige Herz des 912ers damals nur leicht modifiziert aus dem 356 C übernommen wurde, kommen Kritiker des 912 schnell in Erklärungsnot. Schließlich grassieren die Preise des 356er derzeit in schwindelerregenden Höhen, was nicht nur dem sehr puristischen Antriebskonzept des „Ur-Porsche“ zu verdanken ist.

Porsche 912 Frontansicht

Doch genau dieser Vorgänger steckt tief in den Genen des 912. Lässt sich Wertsteigerung, Ethos und die Historie des allseits begehrten Vorgängers auf den 912 vererben? Auch über diese Frage kann man vorzüglich streiten. Jedoch nicht darüber, dass im Porsche 912 definitiv waschechte Gene aus Zuffenhausen stecken.

Schließlich wurde der 912 von 1965 bis 1969 im direkten Anschluss an den 356 C produziert und setzte damit die Tradition der Vierzylinder in den 70er-Jahren konsequent fort, während das ab 1963 produzierte G-Modell von nun an auf einen luftgekühlten Zweiliter-Sechszylinder in seinem attraktiven Heck setzte. Die 1.6 Liter 4-Zylinder waren vergessene Geschichte im 911. Ab sofort stand der 912 stets im Schatten seines großen Bruders. Zu Unrecht?

„The Poor Man’s Porsche“ – ein ziemlich unrühmlicher Spitzname für ein Vehikel, das zur damaligen Zeit noch immer die Speerspitze der straßentauglichen, automobilen Sportlichkeit zu sein vermag. Auch wenn der 912 nach heutigen Gesichtspunkten keine brachialen Reifenspuren in den Asphalt brennt, hat er auch damals seinen Ruf als „Billigversion“ des 911ers nicht unbedingt verdient. Denn schon zur damaligen Zeit startete der Listenpreis des 912 bei mehr als 21.000 DM. Eine hohe Summe, selbst für einen „Poor Man“. Oder genderkonform ausgedrückt: „Poor M/W/D“.

Interieur des Porsche 912

Interieur des Porsche 912 mit verchromten Instrumenten und Edelholz-Lenkrad

Wir sind davon überzeugt, dass man dem Porsche 912 einen eigenen Platz in der Historie des Sportwagenherstellers einräumen sollte, der die Entwicklung im Automobilbau maßgeblich prägte. Denn es war auch damals naheliegend, das im 356 C bewährte Konzept weiterzuführen, während aufgrund der eher verhaltenen Marktbewegungen in den frühen 70er Jahren nicht gänzlich ersichtlich war, ob das 911er G-Modell mit neuem Antriebskonzept ein wirklicher Erfolg werden sollte. Nach heutigen Erkenntnissen wissen wir natürlich, dass das Konzept aus Zuffenhausen absolut aufging.

Fahrbericht und Fahrleistung des Porsche 912

Wer als treuer Porsche-Kunde in den heutigen Modellen unterhalb der Modellreihe 911 Platz nimmt und sich in die Sportsitze spritziger Cayman- oder Boxster-Modelle setzt, wird sich an den präzisen Motorabstimmungen erfreuen, die aus biturbo-befeuerten Zweiliter-Aggregaten bis zu 300 PS kitzeln. Welch eine Ironie, wenn man bedenkt, dass das 4-Zylinder-Boxer Konzept eigentlich ein Auslaufmodell war, das nur durch den Porsche 968 kurzzeitig unterbrochen wurde. Doch auch hier war im Jahr 1995 endgültig Schluss.

Aber wie fährt sich ein 4-Zylinder aus dem Jahre 1963?

Richtige Frage. Zurück zu unserem 912er, der aus seinen 1,6 Litern Hubraum – genau genommen sind es lediglich 1582 cm³ – rund 90 PS herausholt. Bei einem Leergewicht von 970 Kg lassen sich mit dem Serienmäßigen 4-Gang-Getriebe (5-Gang war nur als Sonderwunsch verfügbar) im 912 bei 3500 U/min rund 122 N/m Drehmoment erzeugen, die das Hinterrad-getriebene Fahrzeug in knapp 13,5 Sekunden von 0 auf 100 Km/h beschleunigt. Bei rund 185 Km/h ist jedoch Schluss. Der 912 Targa erreicht seine  Grenzen aufgrund der schlechteren Aerodynamik noch etwas früher, zumindest im Sinne der gefühlten Leistungsentfaltung.

4-Zylinder Heckmotor des 912ers mit 90 PS

Der 4-Zylinder Heckmotor des 912ers mit 90 PS und 122 N/m bei 3500 U/min

Im Vergleich zum großen Bruder, dem 911, ist der Heckmotor beim 912 um einige Maßeinheiten in der Karosserie nach vorne gerückt, was dem leichtfüßigen Hecktriebler ein durchaus beachtliches Mehr an Agilität einbringt, das sich insbesondere in wechsellastigen Kurvenfahrten bemerkbar macht. Auch die zunächst verhaltenen 90 PS reichen aus, um den Sportwagen aus Zuffenhausen mit beeindruckender Sportlichkeit um die Kurven der örtlichen Landstraßen zu führen, während der drehmomentstarke 912 auch in der städtischen Umgebung ungeahnten Fahrspaß bietet. Zugegeben: Das liegt zum Großteil aber auch am klassischen Erscheinungsbild, das jedem vorbeifahrenden Rentenberechtigten ein breites Lächeln auf die Zähne zaubert, selbst wenn er nicht selbst in den Genuss der ausgeprägten Fahrdynamik kommt und die Pensionskassen schon längst unter der Geldpolitik der EZB zusammengebrochen sind.

4 Karosserievarianten beim 912: Coupé, Targa, SWB, LWB

Apropos Dynamik. Entscheidend für die Fahrdynamik war beim Porsche 912 nicht nur der Antrieb, sondern auch die Karosserievariante. Doch wie man zunächst vermuten könnte, haben (heutige) Kunden beim Kauf eines Zwölfer’s nicht nur die Wahl zwischen Coupé und Targa. Denn auch der Radstand hat sich im Laufe der Entwicklung verändert.

Zunächst wurde der 912 bis zum Jahr 1967 mit einem Radstand von 2211 mm produziert. Kenner sprechen hier von der SWB-Variante („Short Wheel Base“). Ein Jahr später, im Modelljahr 1968, steigerte Porsche den Radstand mit längeren Schwingen um 57 mm und passte die Radausschnitte an, was als gutes Erkennungszeichen der späteren 1968er LWB-Variante des 912 gilt („Long Wheel Base“).

Zusätzlich lässt sich der längere Radstand an der Position der Torsionsstabkappen an der Hinterachse erkennen. Während die Kappen beim frühen 912er direkt an die Radlaufausschnitte angrenzt, sind sie bei den 1968er Modellen rund 60mm vom Radlauf entfernt. Das gleiche Prinzip wurde im Übrigen auch beim größeren 911er angewendet, der ebenfalls wie der 912e bis einschließlich 1967 als O-Serie, bis 1968 als A-Serie bezeichnet wurde. Erst die B-Serie ab 1968 erhielt beim 911er und 912er die „Long Wheel Base“ – mit durchaus positiven Einflüssen auf die Fahrdynamik, die mit der weiteren Entwicklung nun deutlich an Laufruhe und Kultur zulegte.

In Punkto Motorakustig orientiert sich der 912 sehr nah an dem kernigen Sound des 356, der gerade in untertourigen Drehzahlbereichen durch einen bollernden, dumpfen Klang durchaus seine Aufmerksamkeit im puristischen Stadtverkehr sichert.

Taugt der Porsche 912 als Wertanlage?

Betrachtet man die Wertentwicklung auf dem Markt für klassische Porsche mit etwas Neutralität, könnte man meinen, dass zumindest der Zenith für die Preissteigerung der 911er G-Modelle inzwischen erreicht ist und die Preise für 2019/2020 leicht rückläufig sind. Zwar grassieren einige Sondermodelle des 911ers noch immer auf nahezu unhaltbaren Preisniveaus, jedoch hat auch diese Fahrt irgendwann ein Ende.

In gewisser Weise kann der 912 von dem hohen Preisanstieg bei den größeren Elfer-Modellen profitieren. Im Grundsatz bietet die 12er-Modellpalette eine vergleichbare Fahrzeugbasis mit bewährter Technik aus dem 356. Und Letzterer liegt in Puncto Wertentwicklung an der absoluten Spitze der zuffenhausener Modellpalette, lediglich Modelle wie der 930 Turbo sind hier noch anschlussfähig.

Dieser Sachverhalt lässt den Porsche 912 immer mehr in den Fokus der Sammler rücken, die inzwischen auch zunehmend in weitere Modelle mit 4-Zylinder Aggregat investieren. Darunter sind nicht nur der 912, sondern auch der VW-914, 924 und 944. In speziellen Kombinationen von Lack- und Fahrgestellnummernkreis lassen sich für 2018 und 2019 Preissprünge von 20% bis 42% beobachten. Der Markt für den Porsche 912 bleibt aus Investment-Perspektive also durchaus hochinteressant, auch wenn der lohnenswerte Einstieg in gut erhaltene Basisfahrzeuge erst bei rund 35.000 bis 40.000 Euro beginnt. Restauration exklusive.

Augenmerk sollte jedoch auf Modelle wie den Porsche 1976 912 E gelegt werden. Die „E“-Einsteiger-Serie wurde auf Basis des G-Modells speziell für den US-Markt entwickelt und sollte die Lücke zwischen dem auslaufenden VW-Porsche 914 und dem noch nicht gestartetem 924 schließen. Damit ist der 912 E also vielmehr eine abgespeckte Variante des G-Modells mit lediglich 90 PS und verzinkter Karosserie. Mit lediglich 2100 Stück ist der 912 E aber eher selten und sollte im Sinne der Wertanlage genau beobachtet werden, wenn auch die Einstiegshürden hier derzeit noch deutlich niedriger liegen.

Fotos von Roman Rätzke.

Kaufberatung für den 912

Zusammen mit unserem Partner für Restauration und Investment in klassische Porsche, fineeleven.com, bieten wir regelmäßig spezielle Workshops für klassische Porsche an. Mehr Informationen zu den eintägigen bis mehrtägigen Events finden sich direkt in unserem Ticket-Shop für Porsche Klassik Workshops.