Porsche 930 Turbo Carrera Modelljahr 1976

Einige Dinge kann man nicht aufhalten. Eine drastische Erderwärmung, die fortlaufende Zeit und technischer Fortschritt gehören wohl eindeutig dazu. Alle drei Dinge führen uns auf gewisse Weise zu einem Fahrzeug, das mit Mythen, Geschichten und Emotionen belastet ist, wie wohl kein anderer klassischer Oldtimer seiner Zeit es ist. Der Porsche 930 Turbo 3.0 – definitiv kein gewöhnlicher 911er.

Mit seiner Einführung im Jahre 1974 legte die Sportwagenmanufaktur aus Zuffenhausen mit dem Porsche 930 Turbo den Grundstein für die Turbolader-Technologie in den Serienfahrzeugen von Porsche. Der 930er stellte nicht nur die Speerspitze der Modellpalette dar, sondern war eine ebenso messerscharfe Weiterentwicklung, die auf der Basis des 911er aufbaute. Zunächst nur als Coupé. 1987 folgte der Targa und das Cabriolet als Erweiterung der 930er Modellpalette, die noch immer als lenkbarer Asphalt-Traum in den Köpfen vieler Porsche-Enthusiasten herumschwirrt. Doch nur die Wenigsten von ihnen haben den Porsche 930 Turbo jemals gefahren. Und das hat seine Gründe.

Porsche verbannt den Saugmotor

Auch Porsche hat es erwischt. Der Druck von Politik und Umweltorganisationen ist immens und fordert manchmal irrationale Entscheidungen. Damit meine ich allerdings nicht die unbehelligten Abgas-Manipulationen, die inzwischen auch den Sportwagenhersteller aus Zuffenhausen erreicht haben.

Zum Modelljahr 2017 verbannt der Automobilkonzern Porsche den reinrassigen Saugmotor fast komplett aus seiner gesamten Modellpalette. Die strengen Vorschriften für Abgase und Emissionen führen zu einer technischen Entwicklung, die ein ganzes Kapitel des Automobilbaus beendet. Schluss mit dem Sauger. Schluss mit einem doch irgendwie unzähmbaren aber sympathischen Charakter, der seine Stärken durch ein gewisses Maß an Unvollkommenheit und Arroganz gezielt untermalt.

Dabei gibt es viele Argumente, die für ein Weiterbestehen des Saugmotors sprechen. Aber irgendwie hat Porsche schon damals erkannt, das die Turbo-Technologie zwar keine Probleme löst, dafür aber neue Probleme verursacht. Immer mehr Leistungsausbeute, höhere Effizienz und mehr Haltbarkeit bei gleichzeitig geringerem Kraftstoffverbrauch und niedrigeren Emissionen – das Wunschdenken der Ingenieure korreliert sehr eng mit den Vorstellungen der Politik. Aber in der Praxis sieht das anders aus.

Zweifelsohne fehlt den heutigen Turbo’s der gewisse Charme, das Arrogante, diese gewisse Unperfektheit, die einen Sportwagen wie den Porsche 930 Turbo ausmachen. Ganz egal, wie sehr die Sound-Designer und Motor-Ingenieure am Abgasverhalten der neuen Turbo-Krawallmacher herumschrauben – oder wohl eher programmieren – den Charakter der vergangen Zeit werden die heutigen spritsparenden und hochpräzisen Leistungsmonster aus Kunststoff und Carbon nicht mehr erreichen. Und das ist gut so. Denn es war nicht immer so.

Porsche 930 Turbo – Ungezügelte Rennstreckengene in bescheidener Manier

Es dauerte nicht lange, bis der Turbo den Weg von der Rennstrecke in eines der schnellsten Serienfahrzeuge der Welt fand – und damit in die Garagen der gut betuchten Kunden, die das nötige Kleingeld für das Investment in einen Porsche 930 Turbo übrig hatten. Damals wie heute. Doch als Porsche den 930er Turbo auf dem Pariser Autosalon im Jahr 1974 erstmals präsentierte, steckte die neue Technologie noch in den Kinderschuhen. Nicht verwunderlich, dass der Porsche 930 Turbo damit der erste Seriensportwagen der Welt und das zweite Serienfahrzeug überhaupt war, das mit einem Abgasturbolader  auffahren konnte. Ein technisches Highlight zu dieser belasteten Zeit, in der die Branche von der noch vorherrschenden Ölkrise geprägt war. Ein mutiger Schritt aus Zuffenhausen, der sich aber auszahlen sollte. Nicht nur finanziell, sondern auch aus Kundenperspektive. Nur ein Konkurrent mit bayerischer DNA schloss sich dem Sportwagenpionier aus Zuffenhausen an oder genauer gesagt – kam dem Porsche zuvor. Denn der 72er BMW 02′ Turbo war noch ein paar Jahre früher turbomäßig unterwegs, spielte fahrdynamisch aber in einer ganz anderen Liga, die nicht direkt mit dem 911er Turbo vergleichbar ist.

Schon die breit auslaufenden Kotflügel und der nicht gerade dezente Heckspoiler machen deutlich, dass dieser 911er nur wenig mit der ursprünglichen Entwicklungsgrundlage des Turbos zu tun hat. Der Porsche 930 Turbo bildet mit all seinen Elementen eine automotive Einheit, die in jedem Betrachtungswinkel so einige Rennstreckengene durchblitzen lässt, im nächsten Moment aber wieder die klassische Linie der 911er ins rechte Licht zieht. Kein Wunder also, dass man sogar rund 44 Jahre nach dem Start des Porsche 930 Turbo noch immer in Erstaunen und Bewunderung versetzt wird, wenn man eines dieser inzwischen rar gewordenen Geschosse vor die Linse bekommt.

Wir gehen mental ein wenig näher auf den rassigen Sportwagen zu und öffnen die dynamisch wirkende aber leicht schwergängige Fahrertür, die den Blick auf den sonst überschaubaren Innenraum freigibt, der fast vollständig in hellbraunem Vollleder erstrahlt. Lediglich die mächtigen Seitenwangen ziehen den Fokus unserer Aufmerksamkeit auf sich – schließlich bilden sie das letzte Hindernis, das uns vor dem Einstieg in den seltenen Sportwagen mit ungezügelten Renngenen bewahrt. Aber wie so oft bei Porsche gilt das Prinzip: Form folgt Funktion. Und die Funktion für zuverlässigen Seitenhalt auf rasanten Asphaltfahrten ist ein mehr oder minder unverzichtbares Werkzeug, das uns bei der Fahrt im Porsche 930 Turbo dabei unterstützt, nicht die Contenance zu verlieren. Und das kann bei diesem Auto durchaus passieren.

Interieur Vollleder Porsche 930 Turbo

Das Interieur des 930 Turbo Carrera überzeugt durch edles Vollleder in Hellbraun/Beige

Fühlen, fahren, verstehen: Der Porsche 930 Turbo

Wir nehmen Platz in dem Interieur aus Vollleder, schließen die Fahrertür mit einer kontrollierten Armbewegung, während unser rechter Arm bereits nervös am Zündschlüssel rumwerkelt. Wir zögern kurz, kontrollieren Gangstellung und Instrumente. Ai, Gurt vergessen. Sicher ist sicher. Der Zündschlüssel dreht sich, wie von Geisterhand getrieben, immer weiter, der Motor beginnt zu stottern und zu husten.

Wir erwarten ein dröhnendes Röhren, werden aber vielmehr durch einen eher hellen und mechanischen Sound aus unserer erwartungsvollen Trance gerissen, die durch bisherige Erfahrungen mit den typischen Saugmotoren unserer 911er Modelle geprägt ist. Nach wenigen Sekunden läuft der Dreiliter Saugmotor und lässt ein wenig die Anspannung abfallen. Wir beginnen langsam damit, uns im Fahrersitz richtig wohl zu fühlen.

Aus Erzählungen wissen wir von einem unberechenbaren Fahrverhalten, das ein Porsche 930 Turbo an den Tag legen soll. Ja, der Gedanke an den Mythos Turbo kommt durch. Wir geben nur zögerlich Gas, erwarten viel. Zu viel? Die aggressive Erscheinung des Turbos lässt ein brachiales Ansprechverhalten erwarten. Aber im Gegenteil. Der 930er zickt leicht und behäbig, nimmt nach einer kurzen Eingewöhnungsphase bei steigender Öltemperatur aber spielend und sanft die Impulse unseres Gasfußes entgegen. Keine Spur von Aggressivität. Ist der Mythos 930 Turbo Carrera ein Irrglaube? Oder sind unsere Erwartungen einfach zu hoch?

Imposanter Heckflügel des Porsche 930 Turbo Carrera

Mitnichten. Unterhalb von 3500 Umdrehungen fährt sich der Turbo beherrschbar, fast schon zahm. Wir gewinnen den ersten Eindruck von Langeweile, fühlen uns auf gerader Strecke mit leichten Anhöhen unterfordert. Wir wollen mehr. An dem Mythos des Porsche Turbo muss etwas dran sein! Der Gasfuß touchiert das Pedal zaghaft in die Bodenwanne, der 930er nimmt an Drehzahl auf. Wir nähern uns den 4000 Touren und bemerken, dass sich das Fahrverhalten langsam ändert. Wir können uns es nicht verkneifen, wieder in den 2. zu schalten. Ein schepperndes Knallen zeichnet uns widerwillig ein freches Grinsen auf die Lippen, das sich kaum verkneifen lässt. Provozierte Fehlzündungen können so verdammt schön sein!

Wir bleiben dran. Der Turbo wird agiler, der Motor lauter, schon fast kreischend – aus voller Brust. Nur wenige Sekundenbruchteile später erreichen wir die Grenze zu 6500 Umdrehungen. Wir ahnen schon, dass unsere Erwartungen nicht vielmehr als laienhafte Naivität war. Noch rund 250 Umdrehungen trennen uns von dem, was wir bisher nur aus Erzählungen gehört haben.

Der Drehzahlmesser knackt 6800 Umdrehungen und unsere Aufmerksamkeit wird von dem drohenden Aggregat hinter unserem Rücken abgezogen. Der Motor kreischt noch mehr, beginnt ruckartig zu pfeifen. Der Turbolader katapultiert uns samt Karosse brachial nach vorne, wir schaffen es gerade noch, den rechtzeitigen Schaltpunkt zu erwischen. Der Ladedruck des Turboladers ist immens. Fast schon unkontrolliert. Es fühlt sich an, als würde der Porsche 930 Turbo mehr als 2/3 seiner Leistung schlafend zurückhalten, um sie dann explosionsartig freizusetzen, wenn der Turbo im Heck des 911ers das passende Signal gibt!

Wir brauchen einige Kurven und gerade Strecken, um uns an das Leistungspotential des Porsche zu gewöhnen. Der Respekt vor der unerwarteten Leistungsentfaltung will nicht abreißen, bewahrt uns aber davor, die Kontrolle über die Renngene aus Zuffenhausen zu verlieren. Langsam aber sicher fangen wir an, den Turbo kennenzulernen. Man erkennt zunehmend die Vorzeichen, die uns auf das Einsetzen des Turbos vorbereiten. Fast wie eine Symbiose aus Fahrer und Fahrzeug. Der Turbo erwartet messerscharfe Befehle, der Fahrer eine aggressive Antwort. Man gewöhnt sich. Langeweile? Keine Spur. Die Spur müssen wir erst einmal halten!

Die brachiale Beschleunigung beim Porsche 930 setzt erst ein, wenn der Turbolader aktiv wird

Glücklicherweise ist der Asphalt trocken. Nicht auszumalen, was uns in den scharfen S-Kurven bei regennasser Fahrbahn hätte passieren können. Der Porsche 930 Turbo fordert definitiv maximale Aufmerksamkeit des Fahrers. In der heutigen Zeit von Assistenzsystemen, Reifendruck-Sensoren, permanentem Allrad-Antrieb und Hochleistung-Straßenreifen, ist das aber gar nicht mal so verständlich. Der Alltag fordert unsere Wahrnehmung für Werbung, Multimedia und Verkehr, aber die zum Teil autonom fahrenden Fahrzeuge nehmen uns den Anspruch an das Fahren ab. Nicht so der Turbo!

Ein Bruchteil einer Sekunde fehlender Aufmerksamkeit reicht aus, um die Oberhand über die Fahrdynamik zu verlieren. Auf einmal lernen wir auf puristische Weise, welche Bedeutung die unterschiedlichen Parameter wie Lufttemperatur, Straßenbelag, Bodenbeschaffenheit, Feuchtigkeit und die daraus resultierende Traktion an unserer Hinterachse hat. Der Porsche 930 Turbo ist eben ein echter Purist. Und das fordert er gleichermaßen von seinem Fahrer – oder seiner Fahrerin.

Merkmale des 930 Turbo 3.0 Carrera

Nur rund 40.000 Meilen hat der von uns gefahrene Porsche 930 Turbo Carrera 3.0 auf der Uhr, der aus dem früheren Modelljahr 1976 stammt. Trotz seines vergleichsweise hohen Alters erzielt der 930 Turbo ein recht dynamischen Auftritt, was nicht zuletzt an der seltenen Sonderfarbe in #944 Platinum Diamant Metallic liegt. Ursprünglich war diese Farbe für das 1976er „Signature 911S“ Sondermodell kreiert worden, was mit einer Limitierung von nur 200 Exemplaren alles andere als ein Massenfahrzeug war. Die übrige Modellpalette von Porsche konnte die Sonderfarbe mit dem Farbcode #944 nur auf Sonderwunsch erhalten.

Das Interieur wurde passend zum Exterieur in Platindiamant in den Farben Hellbraun und Beige gehalten. In Vollleder, versteht sich. Zur damaligen Zeit eine Selbstverständlichkeit für eine derartige Vollausstattung, die der Turbo aufweist. In die Riege des Ausstattungs-Paketes reihen sich die bereits erwähnten Leder-Sportsitze mit den dominanten Seitenwangen ein, eine praktische Klimaanlage für erhitzte Gemüter und ein elektrisches Schiebedach, das uns auf Knopfdruck den nötigen Sauerstoff zuführt, den wir für die Aufrechterhaltung unserer Konzentration beim Fahren des 930er unbedingt benötigen.

Rund 260 PS bei einem Drehmoment von 329 NM produziert das 6-Zylinder-Boxer Aggregat, das mit der Unterstützung eines Abgasturboladers zuverlässig auf 3 Litern Hubraum in dem Maschinenraum hinter unserem Rücken werkelt. So beschleunigt uns der Porsche 930 Turbo bei einem Leergewicht von nur rund 1210 Kilogramm in knapp unter sechs Sekunden aus dem Stand auf Landstraßentempo, das bei diesen ungezügelten Renngenen auch gerne mal höher liegen kann, als die handelsüblichen 100 km/h, die unsere Verkehrsbehörden auf den ländlichen Straßen vorsehen. Nimmt man die nächste Abfahrt auf die neu asphaltierte Autobahn im Hamburger Süden, lässt sich der 911er auf unglaubliche 250 km/h Höchstgeschwindigkeit prügeln – auch heute noch eine Geschwindigkeit, bei der die meisten Außendienstler schon längst vor Nervosität das Gaspedal des Turbodiesels zurückschnellen lassen. Nicht zu vergessen: wir befinden uns gerade im Jahr 1976! Nicht 2018.

Nach der rasanten Autobahnfahrt werden wir langsamer, stellen den Motor ab, öffnen mit den noch immer schwitzenden Händen die schwergängig anmutende Tür und versuchen, uns aus den Sportsitzen des Turbos zu pulen. Was schwerer fällt, als gedacht. Das liegt aber nicht nur an den dominanten Seitenwangen. Die Knie sind noch leicht zittrig, das Herz rast mit fast unveränderter Drehzahl. Eigentlich fühlen wir aber doch ganz wohl hier drinnen.

So langsam zieht ein warmer Schwall an benzinhaltiger Luft durch die offene Fahrertür in den Innenraum, der von den knisternden Abgaskrümmern akustisch untermalt wird. Wir steigen aus. Mit gutem Gefühl. Gut, eher gemischte Gefühle. Schließlich haben wir den Porsche 930 Turbo bezwungen – ganz ohne Zwischenfall. Liegt das an der Vorsicht? An dem Mythos? An dem Respekt vor dem Turbo? Irgendwie trägt alles dazu bei. Auf jeden Fall lässt sich dieser Turbo nicht mit den heutigen Turbos vergleichen. Und das ist gut so. Denn dieser Turbo zeigt uns eindrucksvoll, wie sich Emotionen, Respekt und Fahrspaß in einem rennstreckentauglichen Porsche Oldtimer vereinen lassen.

Sicht in den Innenraum des Turbo Carreras.

Unter der Haube: Leistungsmerkmale auf einen Blick

  • Modellname: 1976er Porsche 930 TURBO 3.0
  • Farbe: Sonderfarbe #944 Platindiamant Metallic
  • Interieur: Vollleder Hellbraun / Beige
  • Laufleistung: 40.960 MLS / 65.500 KM
  • Motor: 3.0 Liter 6 Zylinder Boxer-Motor mit 260 PS und 329 NM
  • Gewicht: 1.210 KG
  • Geschwindigkeit/Beschleunigung: 0-100km/h in 6,0 Sek / V-max 250 km/h
  • Getriebe: 4-Gang Schaltung
  • Ausstattung: Original Turbositze, elektronisches Schiebedach
  • Preis: Auf Anfrage

Kontakt und weitere Details: Fineeleven.de

Die herausragenden Fotos dieses 930er Turbos sind von Roman Rätzke.

Der 6 Zylinder Boxer Motor des 930 Turbo überzeugt mit 3 Litern Hubraum

Porsche 930 Turbo fahren und erleben

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