Das digitale Zeitalter hat die Wahrnehmung der Menschen grundlegend verändert. Schuld daran ist nicht nur die Social Media Werbung mit Facebook, Instagram und Co. Denn in den Zeiten ständiger Erreichbarkeit ist der Mensch nicht nur Nutzer, sondern Informationslieferant, Produkt und potentieller Kunde zugleich. Die jüngstigen Daten-Skandale rund um Facebook und den digitalen Datenhandel illustrieren das wieder einmal in schärfster Deutlichkeit.
Und obwohl es dank Social Media Werbung und Digitalisierung immer leichter wird, jeden von uns (Datenproduzenten) zu erreichen, wird es zeitgleich auch immer schwieriger, in das Zentrum unserer Aufmerksamkeit durchzudringen. Klingt völlig Paradox? Ist es aber nicht. Im Gegenteil.
Aber der Reihe nach. Was ist Social Media Werbung, warum sollten (oder eher müssen) wir als Unternehmen Social Media Werbung nutzen und was hat man als Entrepreneur, Selbständiger oder Freelancer davon überhaupt?
Inhalt
Social Media Werbung vs. Social Media Marketing
Soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter, Snapchat, Google+ oder Instagram (wurde inzwischen ja auch von Facebook geschluckt) sind der wohl wichtigste digitale Kanal der heutigen Zeit, über den fast jeder Mensch – mit der Ausnahme weniger Digitalisierungs-Ablehner oder Steuerflüchtlingen – erreichbar ist. In den Statistikämtern der Welt geistern Zahlen von 2-3 und teilweise 4 Milliarden Nutzern der sozialen Netzwerke herum.
Ob das jetzt 100 mehr oder weniger sind, spielt dabei absolut keine Rolle. Fakt ist: Inzwischen ist fast die Hälfte der gesamten Weltbevölkerung über die sozialen Netzwerke vernetzt. Damit existiert also eine mehr oder weniger direkte Verbindung zwischen vielen Menschen, Religionen, Weltanschauungen, Gesellschaften und sozioökonomischen (Teil-)Systemen dieser Welt.
Die Teilnehmer können jederzeit und unbegrenzt mediale Inhalte erstellen, konsumieren oder verbreiten, sich austauschen oder am Wirtschaftskreislauf teilnehmen. Die einzige Voraussetzung für die Teilnahme ist eine adäquate Internetverbindung und ein entsprechendes Endgerät.
Aus Sicht der Unternehmen ist das auf den ersten Blick ein Glücksfall. Denn dank der sozialen Netzwerke lassen sich auf einmal potentielle Kunden gewinnen, die vorher überhaupt nicht erreichbar waren. Die Entwicklung der Smartphones trägt ihr Übriges dazu bei.
Snapchat auf der Uni-Party, Instagram im Café oder die Veranstaltungs-Zusagen bei Facebook. Auch wenn sich das Nutzungsverhalten sozialer Netzwerke in Abhängigkeit von Technologie, Zielgruppe, Bildungsstand, Kaufkraft und Herkunft unterscheidet, haben sie alle eines gemeinsam: Unternehmen und Organisationen versuchen die Vorteile der sozialen Netzwerke für sich zu nutzen. Durch Marketing und Social Media Werbung gleichermaßen.
Kurzer break an dieser Stelle: Sind Marketing und Werbung nicht Synonyme?
Ich möchte die Medien- und Kommunikationstheorie an dieser Stelle nicht unnötig breittreten. Als Unternehmer sollte man zumindest einen marginalen Unterschied zwischen Werbung und Marketing erkennen können, damit einen die Werbeagenturen nicht über den Tisch ziehen können.
Während konventionelle Werbung mit all ihren Werbemaßnahmen ein bestimmtes Unternehmensziel im Fokus haben (z.B. den Abschluss eines Vertrages, den Kauf einer Ware), zielt Marketing auf einen höheren Zweck ab.
Wir wollen aber nicht in poetische Allüren abdriften. Beim beim Marketing sollte nicht nur der Kunde aus der Zielgruppe aufgegriffen werden, sondern in gewisser Weise auch das Unternehmen und seine Markenzeichen, ein unternehmensspezifisches Alleinstellungsmerkmal (USP), eine gesellschaftliche Zielsetzung samt Normen und Werten sowie die eigene Geschichte des Unternehmens oder personenbezogener Marken. Erst ein Gesamtkonzept zwischen all diesen Bestandteilen einer Unternehmens- und Produktpolitik wird schließlich zum Marketing.
Und genau hier setzt das Social Media Marketing (SMM) ein. SMM ist in gewisser Weise der Oberbegriff für jegliche Aktivitäten, die ein Unternehmen bei der Verwirklichung seiner Unternehmensziele unterstützen. Social Media Werbung ist also nichts anderes als eine Unterkategorie des Social Media Marketing.
Die Entwicklung der Social Media Werbung im Schnelldurchlauf
Wir verfolgen einen etwas differenten Ansatz zu all den übrigen Werbegurus, Agenturen und den unzähligen Social Media Marketing-Experten, die irgendwo da draußen umherwerben. Die gängige Grundaussage aller Social-Media-Spezis:
„Social Media ist für dich und dein Unternehmen unverzichtbar, weil soziale Medien ein Schwerpunkt in der heutigen Gesellschaft bilden und der wichtigste Kanal für die Erreichbarkeit (gerade junger) Kunden ist, die über viele klassische Medien nicht mehr ausreichend angesprochen werden können. Zudem lassen sich über die Social Media Netzwerke erfolgreiche Kampagnen mit großer organischer Reichweite und hoher Benutzerinteraktion aufbauen (…) „
Zu dieser Grundaussage lassen sich noch diverse weitere Argumentationen hinzudichten, anhand derer die Bedeutung sozialer Netzwerke für moderne (digitalisierte) Unternehmen gerne verdeutlicht wird. Schließlich geht es nicht immer nur darum, Kunden zu gewinnen und den eigenen Krimskrams zu verkaufen. In letzter Instanz geht es um den Aufbau einer Marke, um Branding, um Feedback oder darum, neue Arbeitskräfte für das eigene Business zu gewinnen.
Versteh uns nicht falsch – diese Aussage ist der Kern des Social Media Marketings und in vielen Fällen der richtige Ansatz, mit dem Unternehmen die sozialen Netzwerke nutzen sollten. Aber eben nur in vielen Fällen. Nicht in allen.
Facebook wächst
Werfen wir zunächst einen Blick auf eine kleine Grafik, die den Anstieg der Facebook Nutzerzahlen von 2008 bis 2017 anzeigt (exkl. Camebridge-Skandal):

Anzahl der monatlich aktiven Facebook Nutzer weltweit vom 3. Quartal 2008 bis zum 3. Quartal 2017 (in Millionen), © Statista 2017
Recht linear, oder? Mitte 2012 knackte Facebook offiziell die Marke von einer Milliarde Nutzern. Angesichts dieser Zahl ist es nicht verwunderlich, dass Facebook kurz vor seinem Börsengang noch schnell das Fotonetzwerk Instagram schluckte. Für sage und schreibe eine Milliarde US$, gezahlt in Bar und Aktien am eigenen Unternehmen.
Analysten sahen die Übernahme kritisch, denn Instagram hatte zu dem Zeitpunkt zwar 30 Millionen Nutzer, erwirtschaftete aber keinen signifikanten Umsatz, der einen derartig hohen Kaufpreis rechtfertigen konnte. Wäre die Übernahme nach Börsengang abgelaufen, hätte das in einem massiven Kursrutsch enden können. Aber CEO Zuckerberg wusste genau, warum er so viel Cash für das soziale Netzwerk mit dem Kamera-Logo locker machte.
In den Jahren zuvor zeigte sich, dass immer mehr Unternehmen die sozialen Netzwerke für die Darstellung des eigenen Angebots nutzten. Facebook perfektionierte das 2009 mit der Einführung von Business-Profilen, die einem Unternehmen eine klare Abgrenzung zu den privaten Facebook-Nutzern ermöglichten. In Kombination mit den ohnehin steigenden Nutzerzahlen sprangen dann kontinuierlich mehr Unternehmen auf den Social Media-Zug auf, der so Jahr für Jahr an Fahrt aufnahm.
Twitter hinkt hinterher
Twitter verpasste den Einstieg in die erste Klasse und schaffte lediglich einen Aufsprung als Trittbrettfahrer, was sich bis zum heutigen Tage nicht wirklich geändert hat. Der im Jahr 2006 gegründete Micro-Blogging Service hielt mit seinen auf 140 Zeichen begrenzte Kurznachrichten an einem etwas anderen Konzept fest, das überwiegend von Promis, Politikern, Sportlern, Journalisten und auch einigen wenigen Unternehmen (wirklich regelmäßig) genutzt wird.
Jedenfalls schaffte es Twitter nie, die Zahl von 300 Millionen aktiven Nutzern pro Monat signifikant zu überschreiten, die breite Nutzerbasis blieb einfach fern und wanderte lieber zu Facebook und Co. Ein wesentlicher Grund dafür war genau diese Zeichenlimitierung – denn im Gegensatz zu Facebook und Instagram war es mit Twitter nicht möglich, einen eigenen Content-Feed aufzubauen, der uns täglich mit genau dem Content versorgt, den wir als individueller Nutzer fordern. Tweets ja – aber einzigartiger Content nein. Den größten Unterhaltungsfaktor im Twitter-Universum bilden ohnehin die diplomatischen Tweets des Donald Trump.
Instagrams Ass im Ärmel
Das Phänomen „Content Curation“ war auch der Auslöser dafür, dass Instagram einen massiven Nutzerzuwachs erfuhr. Denn in sonst keinem anderen Netzwerk war es möglich, optisch so ansprechende Content Feeds zu erstellen, wie es bei Instagram möglich war. So erschuf jeder Nutzer in seinem Profil ein mühevoll selektiertes Content-Konstrukt, das seine Interessen, Vorlieben, persönliche Anschauung und Geschmäcker widerspiegelt. Quasi wie Daily-News. Nur in Bildern. Und mit mehr nackter Haut.
Interessanterweise unterscheiden sich die sozialen Netzwerke Facebook und Instagram nicht nur im Content, sondern damit auch in ihrer allgemeinen Nutzerbasis. Während Facebook inzwischen für seine Katzenvideos, Flohmarkt-Gruppen, Veranstaltungs-Kalender und gesellschafts-politische Diskussionen bekannt ist, fokussiert sich die Instagram-Nutzerbasis auf Themen wie Mode, Lifestyle, Technik, Reisen oder kulinarische Extravaganz.
Ansehnliche Frauen und Männer, Bademode, mechanische Uhren, Whiskys, Zigarren, Anzüge, Fitness und visualisierte Motivational-Quotes sind also Kern im Instagram-Content und lassen sich fast jedem Nutzerprofil zuordnen. Und was ist so interessant dabei?
Die Nutzer schneidern damit nicht nur ihr eigenes vollständiges Konsum- und Interessenprofil, sondern auch eines für Unternehmen, die damit gezielt ihre Marketing-Kampagnen steuern können.
Mit dem eigenen Content-Feed gibt der Nutzer nicht nur Auskunft über seine Gewohnheiten und Interessen, sondern macht damit auch indirekte Aussagen über seine (potentielle) Kaufkraft. Jemand, dessen Feed sich überwiegend mit Luxusuhren, Vintage-Uhren und sonstigen mechanischen Zeitmessern beschäftigt, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch derartige Instrumente besitzen und ist damit eine potentielle Zielgruppe für Unternehmen aus diesem Sektor.
Spätestens hier sollte klar werden, warum Zuckerberg bereit war, seine Hosentaschen für den Einkauf von Instagram so weit zu öffnen. Die potentiellen Werbemöglichkeiten durch gezielte Social Media Werbung in dem sozialen Netzwerk waren gigantisch. Das hat der smarte Harvard-Student früh erkannt.
Facebook dreht an der Werbeschraube
Facebook spielt bereits seit seiner Gründung im Jahr 2004 mit dem Advertising auf der Plattform. Damals hieß die Plattform zwar noch „thefacebook“, die ersten Facebook Werbeanzeigen waren aber schnell eingeführt und dienten damals dem Advertising von Campus-internen Dienstleistungen und Jobangeboten an der Harvard University.
Die „Flyers“ genannte Urform der Facebook-Ads konnte damals zu Tagespreisen von 10-40$ gebucht werden und ermöglichte die erste Form von Campus-basiertem Targeting. Auch wenn diese Frühform der Werbeanzeigen meistens zur Organisation von Studentenpartys genutzt wurde, entwickelte sich das Werbeformat ständig weiter und schlug ein wie eine digitale Bombe.
Mit dem Launch der kostenlosen Business Profile im Jahr 2008 und dem Ausbau der Targeting-Möglichkeiten für Werbeanzeigen ab 2009 war der Expansionskurs der Facebook Werbung nicht mehr aufzuhalten. Die kontinuierlich steigenden Nutzerzahlen machten das Targeting immer effektiver, eine rekursive Advertising-Schleife setzte ein. Inzwischen war es möglich, Zielgruppen auch nach Sprache und Herkunft anzusprechen. Interessen, Verhalten und weitere soziale Merkmale sollten folgen.
Und genau dieses Targeting war das Hauptargument für Unternehmen, sich massiv auf die Werbemöglichkeiten des sozialen Netzwerkes zu stürzen. Denn bisher boten nur die Suchmaschinen wie Google ein derart umfangreiches Targeting in den Google AdWords Werbeanzeigen, das bei der Analyse sozialer Verhaltensmuster aber an seine Grenzen gelangte.
In den Folgejahren veränderte Facebook stetig die eigenen Algorithmen, passte Werbeformate an und erweiterte das Targeting. Mit der Einführung der mobilen Facebook-App für Smartphones und Tablets, der Instagram-Übernahme und der Zusammenführung der Werbeplattformen konnten Unternehmen ab 2013 nun eine Zielgruppe von über einer Milliarde Nutzern ansprechen – ein überwältigender Erfolg.
Ein Erfolg, der sich nicht nur mit milliardenschweren Umsätzen bemerkbar machte. Denn die immer weiter zunehmenden Werbemöglichkeiten veränderten das soziale Netzwerk nachhaltig und wurden in gewisser Weise auch zum größten Problem der Social Media Welt.
Wie sich Social Media Werbung zu Facebooks größtem Problem entwickelt
Revidieren wir doch einmal kurz die vorherigen Abschnitte. Facebook und Instagram werden immer beliebter, die Nutzerzahlen steigen rasant. Mit der Entwicklung der Werbeformate und dem detaillierten Targeting springen auch immer mehr Unternehmen auf den Social Media Train auf.
Diese Advertiser zielen darauf ab, der immer weiter wachsenden Nutzerbasis durch den Einsatz von organischem Social Media Marketing und bezahlten Werbeanzeigen einen Teil ihrer mehr oder weniger nützlichen Produkte zu verkaufen. Jedes Business, das bei Google AdWords nicht Fuß fassen kann, wagt einen Neustart mit den Facebook Ads. Durch die Zusammenführung mit Instagram wird Werbung auf der Facebook-Plattform nun auch für Unternehmen interessant, die sehr spezifische Zielgruppen ansprechen müssen, es bisher aber nur bedingt konnten.
Wie in jedem Markt, regulieren auch hier Angebot und Nachfrage den Preis. Denn wenn immer mehr Unternehmen in einem begrenzten Markt auf die wenigen verfügbaren Werbeplätze bieten, steigen die Preise für jede einzelne Ausspielung (in der Theorie) an. Und dieser Effekt wird immer radikaler. Aber was ist passiert?
Der obige Rückblick macht bei kurzer Überlegung ein paar elementare Faktoren deutlich:
- Immer mehr Nutzer sind in den sozialen Netzwerken Facebook und Instagram aktiv
- Damit steigt auch die Anzahl der aktiven „Follower“ für private oder Business-Profile, die zielgruppenrelevanten Content bieten
- Die Feeds der Nutzer sind mit dem Content der gefolgten Profile übersättigt, denn nicht jeder Content lässt sich in einer durchschnittlichen Nutzungsdauer bei Smartphones oder mobilen Geräten vollständig ausspielen
- Zahlreiche Unternehmen versuchen die bereits gesättigten Content-Feeds der Nutzer mit organischen Inhalten und bezahlten Werbeanzeigen (direkte Ads und „sponsored Posts“ bei sog. „Influencern“) zu erreichen
- Die organische Reichweite der Inhalte („Posts“ und Werbeanzeigen) sinkt zunehmend weiter ab
- Unternehmen steuern mit immer höheren Klickpreisen gegen die geringer werdende Ausspielungsrate gegen oder müssen enorm viel Ressourcen in ihre Kampagnen investieren, damit die Klickpreise bzw. die Ausspielungskosten durch hohe Relevanz bezahlbar bleiben
Wer im Kindergarten gelernt hat, wie man über den Tellerrand hinausschaut, kann sich die Konsequenzen dieser Faktoren schnell selber ausmalen. Ein regelrechter Kampf um die Aufmerksamkeit des Nutzers beginnt, der in massiv steigenden Preisen resultiert.
In gewisser Weise löst das zwar einen selbstregulierenden Markteffekt aus, denn wo die Preise steigen, wird die Nachfrage geringer. Damit sollten die Preise auch wieder fallen, die Spirale beginnt erneut. Aber das funktioniert nur in der Theorie.
Facebook versucht zwar, den Effekt durch diverse Anpassungen der Werberichtlinien und die Einführung von neuen Algorithmen und Relevanz-Bewertungen für Werbeanzeigen abzumildern. Aber das kann nur bis zu einem gewissen Grad gelingen. Denn wie so oft in der Realwirtschaft bestehen nur die „Big Player“ in überregulierten oder hart umkämpften Märkten solche schwierigen Zeiten.
Ein weiterer kritischer Faktor rührt aus den politischen Entwicklungen der letzten Jahre. Facebook wurde immer wieder zum Ort politischer Diskussionen. Und immer dann, wenn politisch interessierte Zielgruppen aktiv sind, liegt der Versuch nahe, diese Gruppen bewusst zu manipulieren. Auch wenn ich mich an keinen politischen Verschwörungstheorien beteiligen möchte, ist nicht abzustreiten, dass inzwischen auch Netzwerke wie Facebook ein relevanter Einflussfaktor für politische Spielereien sind.
Egal ob Wahlkampf oder Wahlmanipulation – Facebook hatte gerade in den vergangenen Jahren immer wieder massiv mit der manipulativen Nutzung der Netzwerke zwecks Beeinflussung potentieller Wählergruppen zu tun. Und das Problem ist auch im Jahr 2018 längst nicht vollständig unter Kontrolle.
Das Resultat: Intelligente Bot-Netzwerke mit besorgniserregenden Auswirkungen.
Wie ich schon gesagt habe, beteilige ich mich nicht an Verschwörungstheorien und spekulativen Vermutungen. Aber wenn man ein umfangreiches Thema wie die sozialen Netzwerke beleuchtet, sollte man als Unternehmer ein gewissen „Blick fürs Ganze“ haben.
Denn anders als der Social Media Manager, dessen Aufgabe es ist, die tägliche Ausspielung von Werbeanzeigen zu überwachen oder die Benutzerinteraktion mit dem eigenen Business sicherzustellen, muss der CEO darüber entscheiden, ob Social Media überhaupt das richtige Konzept für den Aufbau umfangreicher Werbekampagnen darstellt. Und dazu sind alle Chancen und Risiken genau abzuwägen, damit eine Entscheidung getroffen werden kann.
Wie Social Bot-Netzwerke Facebook Werbung gefährden
Stellen wir uns das folgende Szenario vor: Regierung A steht kurz vor den politischen Wahlen und einer neuen Regierungsbildung. Organisation B hat ein gewisses Interesse daran, die Wahlen von A in eine bestimmte Richtung zu lenken, also durch gezielte Manipulation zu beeinflussen.
Da ein großer Teil des Wahlkampfs auch über soziale Netzwerke abläuft und gerade die junge Zielgruppe über Facebook erreicht werden kann, setzt Organisation B automatisierte Software, sog. Social Bots, ein, um Kommentare, Likes, Postings und Shares gezielt so zu streuen, dass die Meinung von „echten“ Nutzern durch die Anzahl von automatisch verteilten Inhalten beeinflusst wird.
Die mögliche Konsequenz: Nutzer, die ausschließlich auf Social Media als Informationsquelle vertrauen, laufen Gefahr, durch das eigene Verhalten und das Verhalten der Social Bots in ihrer eigenen Meinung gezielt beeinflusst bzw. manipuliert zu werden.
Welche Auswirkungen das auf eine Wahl oder andere gesellschaftspolitische Prozesse haben kann, muss ich an dieser Stelle nicht erklären. Uns interessiert es an diesem Punkt auch ausnahmsweise nicht, welchen Einfluss diese manipulative Informationsverteilung auf das Verhalten von Social-Media-Nutzern hat. Fokussieren wir unseren Blick wieder auf die Werbung.
Facebook kämpft seit jeher gegen diese künstlich und illegal erzeugten Inhalte auf seiner Plattform. Denn Social Bots widersprechen nicht nur den Nutzungsbedingungen des Netzwerkes, sondern auch der gesellschaftspolitischen Praxis. Auch wenn es keine direkten Gesetze gegen die Nutzung von Social Bots gibt, arbeiten umfangreiche Task Forces bei Facebook daran, diese Systeme von der Plattform zu verbannen. Mit mäßigem Erfolg.
Denn die Social Bots imitieren ein möglichst natürliches Nutzerverhalten, damit das Aufspüren von unnatürlichen Mustern durch Software oder manuelles Personal erschwert wird. Und zu natürlichem Verhalten gehört auf Facebook nicht nur das Posten von Beiträgen oder Kommentaren, sondern auch das Liken von anderen Beiträgen und – insbesondere – die Interaktion mit Werbeanzeigen.
Jene Social Bots interagieren also mit den Anzeigen auf Facebook und Instagram. Bots klicken und liken Werbeanzeigen, um nicht aufzufallen und als Bot enttarnt zu werden. Sie teilen posts und verfolgen unkontrolliert Links auf Landing Pages der Werbetreibenden, nur um nach wenigen Sekunden Verweildauer wieder abzuspringen. In gewisser Weise kämpft also künstliche Intelligenz gegen künstliche Intelligenz. Ein Worst Case Szenario für jeden Advertiser.
„Die Hälfte des Geldes, das ich für Werbung ausgebe, ist verloren, das Problem ist, ich weiß nicht, welche Hälfte.“ – John Wanamaker
Ist Facebook Werbung ineffektiv? Beispiel Procter & Gamble
Die Problematik der Social Media Werbung ist nicht unbekannt. Aber nur wenige Unternehmen haben die Möglichkeiten (oder die Eier), die Auswirkungen von Veränderungen in Targeting, Ausspielung, Nutzerverhalten und Effizienz von Social Media Werbung ausführlich zu analysieren. Der Grund ist meist ein zu geringes Werbebudget oder ein zu naiver Glaube an den Erfolg der Social Media Kampagnen. Der US Konsumgüterkonzern Procter & Gamble hat den Schritt allerdings gewagt.
Wie auch das Wallstreet Journal darüber berichtet, reduzierte P&G sein Budget für Online Marketing mit Facebook Werbung drastisch. P&G investiert jährlich rund 7-8 Milliarden US Dollar in Werbung (Quelle: WSJ). Eine Kürzung der Werbeausgaben für Facebook Ads um 100 Millionen US$ im 2. Quartal 2017 erzielten dabei aber einen kaum merkbaren Umsatzrückgang. Woran liegt das?
Nach eigener Aussage war ein Grund für die ineffiziente Ausspielung von Facebook Werbeanzeigen ein überdetailliertes Targeting der Zielgruppen. Nur weil Werbeanzeigen auf weibliche Haustierbesitzer ausgerichtet sind, die regelmäßig in lokal oder online einkaufen, heißt das nicht automatisch, dass der Absatz für Lufterfrischer („Febreeze“ ist eine der vielen Marken von P&G) damit auch besser stimuliert wird, als durch konventionelle Werbekanäle mit hohen Streuverlusten (z.B. TV oder Radio).
Ein möglicher Grund für die Ineffizienzen in der Budgetausspielung kann im übermäßigen Vorkommen von Bots liegen. Es ist nicht vollständig nachzuweisen, dass die ausgespielten Anzeigen einen großen Anteil an Bots ohne Kaufabsicht erreicht hat. Aber genauso wenig lässt sich nachweisen, dass es echte Nutzer waren. Eine Zwickmühle für Werbetreibende und auch für Facebook.
Ist das jetzt das Ende der Facebook Werbung? Mitnichten. Aber es stellt Facebook und die Advertiser vor große Probleme. Denn nicht jede Werbekampagne lässt sich durch die aggressive Conversion-Förderung umsetzen, wenn wir nicht wissen, ob der potentielle Kunde überhaupt kaufbereit ist. Nicht immer ist direkter Abverkauf die richtige Werbestrategie, wenn auch langfristige Kundenbindung, die Heranführung an neue Produkte und Marken oder das Branding des Unternehmens im Fokus von Werbekampagnen und dem Social Media Marketing stehen kann.
Facebook Werbung ist nicht ineffektiv, aber die Effektivität der Social Media Werbung hat sich massiv verlagert und erfordert sehr sensibles Herangehen an die Nutzer. Und längst nicht jede Zielgruppe kann auch über das von Facebook implementierte Targeting angesprochen werden. Schließlich beruht der primäre Anteil des Targetings auf den Informationen, die Nutzer selber angeben und durch Nutzung erzeugen. Und das lässt sich bekanntlich auch manipulieren.
Inzwischen hält sich auch jeder Instagram-Nutzer, der einmal 200 Euro in Bitcoins versenkt hat, für einen „Crypto Investor“ und jeder Arbeitslose, der auf Gewerbebasis unnötige Versicherungsverträge verkauft, für einen „Financial Entrepreneur“. Willkommen in den Social Media.
Nutzer-Akzeptanz für Werbung in Social Media geht zurück
Stell dir mal vor, du sitzt mit deinem heißen Date am Samstag Abend im Kino, fieberst aber vielmehr dem späteren Öffnen der Rotwein-Flasche in deinem neu bezogenen Penthouse entgegen, das mit einem nagelneuen Gas-Kamin und automatischen abblendenden Fenstern auffährt.
Wie fühlst du dich, wenn dem Film nun unerträgliche Stunden an Werbung vorgeschaltet werden, du den neuen Quentin Tarantino trotz fortschreitender Müdigkeit aber definitiv nicht verpassen willst?
Richtig – du wirst innerlich aggressiv und bist völlig entnervt von den Werbeinhalten, vermutlich kaufst du aus Prinzip keine der angebotenen Produkte. Ähnliches passiert derzeit auch mit einem überwiegenden Anteil der Social Media Nutzer. Denn in Zeiten absoluter Informationsproliferation reagieren Nutzer auf unpassende Werbeinhalte sehr sensibel. Die absolute Übersättigung der Werbeausspielung tut ihr Übriges dazu.
Wenn die Nutzer damit anfangen, voller Trotz und Renitenz jede Werbeanzeige als Spam zu markieren oder zu verbergen, die ihnen vor die Linse kommt, dann gerät das ganze Social-Media-Ökosystem langsam aber sicher aus den Fugen. Und inzwischen ist das fast jeder dritte, vierte oder fünfte Post. Wer diese Gewohnheiten schon bei sich selbst beobachtet, weiß ganz genau, was ich meine.
Die entscheidende Frage: Ist meine Zielgruppe bei Facebook aktiv?
Bevor wir uns den Kopf über Social Media Werbung zermartern, sollten wir erst einmal eine elementare Frage klären:
Ist die für mein Business relevante Zielgruppe überhaupt in den sozialen Netzwerken aktiv?
Ist das nicht der Fall, brauchen wir auch keine komplexen Werbekampagnen zu entwickeln. Social Media Werbung ist ansonsten nichts anderes als eine reine Geldverbrennungsmaschine, die vor keiner Währung Halt macht. Vielleicht das ideale Instrument für unseren EZB-Chef Draghi?
Der Weg führt uns also wieder zurück an das digitale Reißbrett und eine solide Zielgruppendefinition, mit der wir erst einmal die Grundlagen für jede unserer zukünftigen Werbekampagnen entwickeln müssen.
Wer als Gastronomiebedarf-Händler seine Social Media Werbung am Wochenende von 17 bis 23 Uhr ausspielt, kann sein Geld auch direkt in Anleihen für den Hauptstadt-Flughafen BER investieren.
In dieser Zeit ist der Gastronom nämlich vollends damit beschäftigt, den Zapfhahn im Sekundentakt in Richtung Erdboden zu hebeln und hat sicherlich keine Zeit, seinen Facebook Feed nach interessanten Neuigkeiten aus der Welt des Gastronomie-Bedarfs zu durchforsten.
Vor dem Aufbau voluminöser Social Media Kampagnen sollte der eigene Zielgruppenprahmen also erst einmal genau abgesteckt und definiert werden:
- Wo und wann ist meine Zielgruppe überhaupt aktiv?
- Wie verhält sich meine Zielgruppe vor und nach dem Konsum relevanter Güter?
- Was könnte meine Zielgruppe vom Kauf meiner Produkte / Services abhalten?
- Welche Bedürfnisse / Probleme hat meine Zielgruppe?
- Welche alternativen Interessen und Bedürfnisse hat meine Zielgruppe?
- Wie verhält sich meine Zielgruppe bei der Nutzung von Social Media?
- …
The what if factor
Ein kleiner Denkanstoß mit großer Wirkung: Stelle dir noch einmal vor, dein Business ist sehr profitabel und ein wesentlicher Anteil des (wirtschaftlichen) Erfolgs beruht auf einer mühevoll etablierten Social Media Kampagne, Social Media Werbung, einer Social Media Dienstleistung oder einem Netzwerk aus Social Media Profilen, das mit organischer Reichweite und bezahlten Werbeanzeigen („Sponsored Posts“) den lebensnotwendigen Umsatz erwirtschaftet.
Und nun beantworte die folgende Frage:
Was wäre, wenn von heute auf morgen alle sozialen Netzwerke abgeschaltet werden, all deine Profile verloren gehen und deine gesamte Social Media Präsenz nicht mehr existieren würde?
Was passiert mit deinem Business, deiner Marke, deinen Kunden, deinem Umsatz?
Angesichts dieser Fragen sollten vor allem die unzählige Anzahl an „Instagram-Bloggern“, „Influencern“ und „Social Media Experten“ der Stift in die Hose rutschen. Denn jeder, der sein Geschäftsmodell vollständig auf dem Erfolg der Social Media Netzwerke aufbaut, läuft höchste Gefahr, damit irgendwann massiv auf die Kauleiste zu fallen.
In der Theorie reicht bereits ein weitreichender Stromausfall, umfangreiche Hacker-Angriffe, die Zerstörung von Server-Infrastruktur, politische Regulierung oder Sabotage auf Ebene der sozialen Netzwerke aus, um deinem gesamten Geschäftsmodell den Saft abzudrehen und damit deine Lebensgrundlage zu zerstörten.
Das mag sich zunächst etwas theatralisch anhören. Aber das ist es nicht. Ich habe derartige Erfahrungen selber gemacht und daraus gelernt. Wer nicht adäquate Alternativen parat liegen hat, kann in solchen Situationen sehr schnell baden gehen. Als Unternehmen, wie auch als Person. Und zwar nackig, in der Elbe, bei -5°C Lufttemperatur.
Deshalb sollte jeder, der im Online Business ernsthaft Fuß fassen und ein langfristig funktionierendes Geschäftsmodell etablieren möchte, auch sein Business darauf ausrichten. Ein Geschäftsmodell, das sich einzig und allein auf Social Media Werbung und die organische Reichweite der Social Media als Traffic-Kanal verlässt, ist langfristig zum Scheitern verurteilt.
Am Ende verhält es sich wie bei den eigenen Assets: Diversifikation ist das A und O. Risiko ist gut, aber Kontrolle ist besser. Wenn du dich rechtzeitig von der Abhängigkeit zu den Social Media lösen willst, führt kein Weg um den Aufbau einer eigenen digitalen Existenz herum, die auf eigenständigen Säulen ruht und nicht von wenigen Plattformen abhängig ist. Wie du das schlaffste erfährst du in unserem WordPress Capitorial für Selbständige, Unternehmer, Berater und Blogger.