Auch wenn die Universal Polerouter auf den ersten Blick nur wenig mit den großen Fliegeruhren bekannter Uhrenhersteller wie Breitling, Zenith oder IWC gemeinsam zu haben scheint, ist sie doch nicht weniger eng mit der Luftfahrt verbunden. Die Universal Genève Polerouter ist ein Relikt jener Zeit, in der Flüge noch ein echtes Abenteuer darstellten – für Crew und Passagiere. Schließlich wusste man nie so genau, wie lange der grob kalkulierte Sprit in den nostalgischen Tanks aus Blech und Nieten wirklich durchhalten wird und ob die Landung auf den holprigen Pisten gelingt, die noch immer durch die Nachwirkungen des Zweiten Weltkriegs gezeichnet waren.
Inhalt
Geschichte der Universal Polerouter
Im Jahr 1954 offerierte die skandinavische Fluggesellschaft SAS, die Scandinavian Airlines mit Sitz in Stockholm, ihren Passagieren eine neue Flugroute von Europa über den Polarkreis auf den nordamerikanischen Kontinent – die sog. „Polroute„. Um für den Flug über die neue Polar-Route vorbereitet zu sein, unterzog SAS seinen Crews spezielle Trainings und stattete sie mit einem eigens für die besonderen Anforderungen entwickelten Zeitmesser aus. Auch wenn die Flugroute nicht wirklich direkt über die Pole verlief, stellte sie Crew, Material und Flugzeug – damals wurde vorwiegend eine Douglas DC-6 eingesetzt – vor besondere Herausforderungen.
Schließlich war die Polregionen für die mechanischen und automatischen Uhren der Crew eine große Strapaze. Das starke Magnetfeld an den Polen konnte dazu führen, dass die Ganggenauigkeit der mechanischen und damit sehr empfindlichen Zeitmesser erheblich beeinträchtigt wird. Und das war im eng getakteten Flugplan der SAS keine Option.
Mit einem stolzen Anforderungskatalog für automatische Uhren im Handgepäck, schrieb die SAS einen Auftrag zur Konstruktion eines geeigneten Zeitmessers für die eigenen Crew-Mitglieder aus, mit dem die Probleme der Magnetfelder in der Zukunft der Vergangenheit angehören sollten. Die Firma Universal Genève aus Le Locle in der Schweiz bekam schließlich den Zuschlag für die Konstruktion und Fertigung der Spezial-Fliegeruhren.
Universal bot die SAS-Uhr ab dem Jahr 1954 ebenfalls für das breite Publikum an und vertrieb die funktionale Fliegeruhr unter dem Namen Polarouter. Bei dem Modell handelte es sich um das exakt selbe Modell mit dem Automatikkaliber 138 SS, welches auch die SAS Besatzung bei den Überflügen über die großen Teiche trug. Nur rund ein Jahr später wurde die Uhr schließlich in Polerouter umbenannt. Diesen durchaus werbefreundlichen Namen behielt der edle Zeitmesser dann bis zum Ende der Produktion im Jahr 1969.
Maßgeblich für den Entwurf der Universal Polerouter verantwortlich war der damals erst 23 Jahre zählende Schmuck-Designer Gérald Genta. Dieser Name sollte den meisten Uhrenliebhabern ein absoluter Begriff sein. Erst rund drei Jahre zuvor, im Jahr 1951, beendete Genta seine Lehre als Schmuck-Designer, die er mit dem Eidgenössischen Diplom erfolgreich abschloss.
Der Entwurf der Polarouter für Universal Genève sollte für Genta der Beginn einer beispiellosen Karriere als Uhren-Designer sein. Es folgten weitere Meisterwerke, wie die Constellation für Omega, die Royal Oak für Audemars Piguet, die Nautilus für Patek Philippe oder die Ingenieur SL für IWC Schaffhausen, die Genta – wortwörtlich – wohl für alle Zeit unsterblich machen sollte.
Technik der Universal Polerouter
Eine der Hauptanforderungen an die Universal Polerouter seitens SAS war der automatische Aufzug der Uhr. Im Stil früher Automatikuhren war das erste Werk, welches 1954 in der Polarouter Verwendung fand, das Kaliber 138 SS, mit einer zwischen zwei Dämpfern oszillierenden Schwungmasse ausgestattet (sog. Hammerautomatik; engl. bumper automatic).
Später fand in der Polerouter das berühmte Kaliber 215 mit dem patentiertem Microtor Verwendung. In diesem Werk wurde die Schwungmasse durch einen sehr kleinen Rotor ersetzt. Diese Konstruktion eines automatischen Uhrwerkes mit einem Rotor ist bis heute gängige Praxis. Beide Konstruktionen der Werke zeichneten sich selbstverständlich durch besondere Robustheit und hohe Ganggenauigkeit aus, die auch unter den widrigen Bedingungen in den starken polaren Magnetfeldern ihren Bestand beweisen konnten.
Im Jahr 1958 bot Universal unter Verwendung des Kalibers 215-1 erstmalig eine Polerouter mit Datumsanzeige an. Bis Produktionsende wurden eine Vielzahl von stetig verbesserten Kalibern mit dem von Universal patentiertem Microtor verwendet. Das letzte Werk mit klassischem Microtor war das Kaliber 69, das im Jahr 1962 eingeführt wurde und als flachstes Automatikwerk seiner Zeit galt.
Weitere Modelle und Ausführungen der Polerouter
Unter der klassischen Polerouter von Gérald Genta versteht man die Ausführung mit dem gewundenem Gehäuse und dem schwarzen Zifferblatt mit erhabener silberner Einfassung. Neben diesem Modell produzierte Universal Genève jedoch auch zahlreiche andere Varianten der Polerouter, die für weitere spezielle Einsatzgebiete konzipiert waren.
Es entstanden etwa eine Handvoll verschiedener Variationen des Modells Polerouter SUB für den Einsatz als Taucheruhr. Daneben gab es die Polerouter Super, Polerouter „NS“ und die Polerouter Genève, welche im Stile der 60er Jahre ein etwas geradlinigeres und sachlicheres Design erhielten, als Gentas erste Polerouter an den Zeiger legen konnte. Schließlich entstand ab dem Jahr 1966 sogar eine Polerouter Day-Date Variante mit dem vollständig neu entwickeltem Kaliber 72. Polerouter Modelle gab es entweder in Stahl, mit 14K Goldhaube oder in 18K Gold.
Collectors and Investors Opinion (CIO)
Die Polerouter hat als Erstlingswerk jenes Großmeisters Genta einen festen Platz in den Herzen der Sammlergemeinde. Gemeint ist damit natürlich primär das frühe Modell mit gewundenem Gehäuse, entweder puristisch ohne Datum oder aber mit Datumsfenster. Diese Modelle sind derzeit am Markt prinzipiell gut verfügbar, wirklich gute Exemplare blitzen jedoch meist nur kurz auf und werden schnell gehandelt. Preislich rangiert das Angebot interessanter Modelle hier zwischen 2.000€ und 3.200€, Tendenz steigend.
Deutlich darüber liegen die selteneren Modelle der Polerouter Sub. Diese Taucheruhr der sechziger Jahre hat ein asymmetrisches Gehäuse und entweder eine schwarze, grüne, rote, blaue oder zweifarbig rot/blaue Lünette. Besonders selten ist die symmetrische Ausführung dieser Sub mit zwei Kronen (Modell Super Compressor), wobei die zweite Krone den äußeren Ring des Zifferblattes verschiebt und dadurch zur Einstellung der Tauchzeit dient. Preislich rangieren diese Modelle zwischen 5.000€ und 7.000€ – die Polerouter Sub Super Compressor mit zwei Kronen noch einmal deutlich darüber.
Den preislichen Einstieg in die Welt der Polerouter bietet die Polerouter Genève. Optisch ist dieses Modell mit klaren Linien und silbernem Zifferblatt eindeutig als klassische Dresswatch der sechziger Jahre zu erkennen. So schlicht das äußere Erscheinungsbild auch sein mag, tragen auch diese Polerouter das Kaliber mit dem legendären Microtor, das bis zu 60 Stunden Gangreserve liefert. Preisbereich hier: zwischen 1.000€ und 2.000€. Aus unserer Sicht ein wirklich attraktiver Einstieg in das Investment der Vintage-Uhren aus den 60ern.
Grail der Polerouter
Absolutes Highlight von Universal ist die frühe Polarouter mit gewundenem Gehäuse und Druck des Logos der SAS Airline auf dem Zifferblatt oder Polerouter Sub in der Ausführung mit zwei Kronen. Wer ein derartiges Exemplar in den Händen hält, sollte um den hohen Wert des Zeitmessers wissen.
Universale Uhren – Nicht nur für die Polarroute
Allgemein profitiert die Universal Polerouter natürlich von der aktuellen Renaissance der 60er Jahre Dresswatches. Mit einem stetig und teilweise in astronomische Sphären steigendem Markt für Vintage Uhren wird besonders für Einsteiger die Luft in diesem Segment schnell dünn. Die ,,kleinen’’ charmanten Dresswatches bieten klassisches und zeitgenössisches Design zu (verhältnismäßig) moderaten Preisen und ermöglichen somit einen echten Vintage-Genuss, ohne dabei zwangsläufig fünfstellige Summen in Uhren investieren zu müssen. Ganz nebenbei eignen sich die Herrenuhren der 60er heute auch ganz besonders für das stilsichere Handgelenk der Dame. Aber das nur am polaren Rande.