Auf halber Strecke zwischen Florenz und Siena, inmitten des Chianti Classico am Stadtrand von Radda in Chianti, liegt das Weingut Castelvecchi – das vermutlich älteste Weingut der Toskana, deren Keller noch heute aktiv bewirtschaftet werden und eine rund 1000-jährige Weingeschichte hinter sich haben. Wir hatten die Gelegenheit, dieses außergewöhnliche Weingut zu besuchen und einige der besten Weine zu verkosten, die uns die Toskana zu bieten hat. Und gute Weine gibt es in der Toskana ja bekanntlich eine Menge!
Inhalt
Chianti Classico in der Toskana
Der Name der Region verleiht dem bekannten Rotwein Chianti seinen prominenten Namen. Die Chianti-Weine stammen aus der Toskana und werden im Wesentlichen aus der Sangiovese-Rebe gekeltert. Der Chianti ist das klassische Symbol für die Weine aus der Toskana und besitzt eine lange Tradition, während der Verkauf der Weine lange Zeit in mit Stroh umflochtenen Gefäßen (die sog. fiascos) erfolgte. Heute erfahren die meisten Chiantis selbstverständlich eine reguläre Abfüllung in konventionelle Glasflaschen, die auch im Castelvecchi ihren berechtigten Einzug finden. Schließlich muss auch eine qualitätskonforme Flaschenreifung der Weine gewährleistet werden, wenn der Jahrgang auch mal ein paare Jahre länger im Kellern liegen muss.
Geschichte des Castelvecchi in Chianti
Wir verlassen den Ortskern von Radda in Chianti und fahren einige Kilometer weiter nördlich, bis wir das Castello di Radda erreichen, ein kleines Weingut unterhalb unseres eigentlichen Ziels. Die Gegend wirkt etwas einsam, ein verlassener Industriebau-Rohbau am Straßenrand unterbricht das sonst so harmonische Landschaftsbild im Chianti-Gebiet.
Bei unserer Weiterfahrt erreichen wir die Grenzen des Dorfes Castel et Curtis, das als Vorfahre von Castellar de la Pierde gilt. Der Grund für diese ungewöhnlichen Namen lässt sich in der noch immer bestehenden Kirche Pierde de Santa Maria Novella suchen, die sich unmittelbar am ehemalig ummauerten und militärisch befestigten Ortsrand des mittelalterlichen Dorfes befindet. Im 16. Jahrhundert wurde die kleine Ortschaft in Castel de Vecchi umbenannt, weil der Vatikan hier einen sog. Viscount, stationierte, der die Region als Adliger für den Papst regieren sollte, ehe er von militärischen Aufständen vertrieben wurde.
Seit dem 16. Jahrhundert ist das Castelvecchi in Familienhand und wechselte erst in den 90er Jahren den Besitzer, der sich schließlich dazu entschloss, die Weinproduktion zunächst einzustellen. Rund 15 Jahre später pachtete die bekannte Weinfamilie Paladin das Weingut, um die Kellerei und die Weinberge wieder in den Betrieb zu nehmen. Der Vescine – ein Wein ausschließlich mit Trauben von Castelvecchi – sollte wieder die Wege in die Restaurants und Weinregale in Italien finden.
Weinberg von Castelvecchi
Familie Paladin sorgte dafür, dass die Weinberge von Castelvecchi vollständig rekultiviert werden konnten. Heute bewirtschaften sie rund 22-24 Hektar Weinberge, die auf Lagen zwischen 400 und 600 Metern Höhe verteilt sind. Der regional durchaus große Höhenunterschied sorgt für ein ausgeprägtes Mikroklima auf den einzelnen Weinbergen, die zum außergewöhnlichen Charakter der Rotweine beitragen. Um die aromatische Vielfalt optimal zu selektieren, werden die Reben bei Castelvecchi zu unterschiedlichen Zeitpunkten geerntet.
Mit einer Aufteilung in mehrere Zonen hält das Weingut nicht nur die Qualität der Reben auf einem hohen Niveau, sondern kann auch die Qualitätseinteilung der eigenen Weine daran orientieren. Geerntet wird übrigens nur von Hand, damit die Lese der Trauben nur Exemplare von höchster Qualität und Güte hervorbringt. Das macht sich natürlich auch im Preis der Weine bemerkbar. Schließlich will Qualität und Handarbeit auch bezahlt werden.
Handarbeit in der Toskana: Der Keller von Castelvecchi
Castelvecchi ist die älteste Kellerei der Toskana, die noch heute im Chianti Classico aktiv ist. In den rund 1000 Jahre alten Gemäuern unterhalb des inzwischen zum Weinhotel umgebauten Dorfes werden heute noch immer nach alter Tradition hochklassige Weine gekeltert. Auch wenn inzwischen ein Großteil der Behältnisse auf pflegeleichten Edelstahl umgestellt wurde, finden sich noch immer mehrere Barriques mit hunderten Jahren an reichhaltiger Weingeschichte. Sie sind zu groß für den (heilen) Abtransport aus dem Kellergewölbe und werden nur noch teilweise für den Ausbau der Weine verwendet.

Der Eingang zum Weinkeller von Castelvecchi liegt seitwärts am Hoteleingang, direkt an der Zufahrtsstraße.
Die Gärung der handverlesenen Trauben dauert rund 10 Tage, bevor der Zuckergehalt des Mostes annähernd den Nullpunkt erreicht. Zwischenzeitliches Umrühren sorgt für einen Temperaturausgleich innerhalb der Gefäße sowie die gleichmäßige Oxidation aller Bestandteile. Im Anschluss verbleibt der vergorene Saft noch für weitere Tage oder gar Wochen in den Gärbehältern, damit alle Aromen vollständig durchziehen.
Der genaue Zeitpunkt hängt jedoch von der Rebsorte und der Stärke der Schalen ab, die uns der Kellermeister von Castelvecchi natürlich nicht auf sein traditionsreiches Pergamentpapier schreibt. Umso mehr freuen wir uns auf das anschließende Tasting der Weine im Innenhof des Weinguts.
Am Ende erfolgt die Trennung der Schale vom Wein, der nun in separate Behälter umgefüllt wird, wo der noch trübe Wein von seinen Schwebeteilen diffundiert und filtriert wird . Die Schalen werden übrigens gepresst und anschließend in einer Destillerie zu Grappa verarbeitet, der seine Wurzeln somit vollständig im Chianti Classico weiß.
Ausbau der Weine im Barrique
Sobald Absatz und die groben Schwebeteile aus dem Wein entfernt sind, ist der Chianti bereit für seinen Ausbau im Barrique. Abhängig vom Wein, Jahrgang und der vorhandenen Ausbaustufe werden die Weine in neue Eichenfässer gefüllt oder in Fässer eingelagert, die bereits eine bis fünf Abfüllungen hinter sich haben. Einige der „Oaks“ werden rein für den Ausbau des Chianti Classico genutzt und bestehen bereits seit rund 15 Jahren für den Ausbau der Weine.

Der Keller von Castelvecchi besitzt separate Lagerzonen für die unterschiedlichen Fasstypen aus französischer Eiche
Die noch unbenutzten Barrique-Fässer werden nur für die kräftigen und sehr aromatischen Weine benutzt. Wie lange ein Wein in den Fässern bleibt, hängt ganz individuell von der Qualität der Weine ab und kann auch von Saison zu Saison variieren. Ist die Reifung im Barrique abgeschlossen, wird der Single Blend kreiert.
So ein Fass aus französischer Eiche startet übrigens bei rund 750 Euro pro Fass. Die größeren Fassvarianten liegen zwischen 1500 und 3000 Euro. Ein stolzer Preis für französisches Holz. Allerdings zeigt das, warum in Castelvecchi pro Jahr maximal 80.000 Flaschen pro Jahr produziert werden. Weine sind nunmal eine kostspielige Angelegenheit.
Die Weine von Castelvecchi
Capotondo 2015 Chianti Classico
Der Capotondo besteht aus 88% Sangiovese und 12% Canaiolo. Viel rote Früchte, etwas Rose und balsamisch, frisch-würzige Nuancen mit ausgewogener Säure stehen im Fokus des Capotondo, der den Jahrgang 2015 zeigt. Zum Teil zeigt er leicht trocknendes Tannin, sehr geradlinige Frucht und einen guten und ausgewogenen Abgang. Mit etwas Luft kann der Capotondo noch einiges aus sich herausholen. Er ist der ideale Einsteig in die Weinwelt des Castelvecchi und auch zu Speisen ein hervorragender Begleiter.
Lodolaio 2014 Chianti Classico Riserva
Begeben wir uns noch eine Klasse nach vorne, gelangen wir zum Lodolaio aus dem Jahrgang 2014. Der Wein besteht zu 100% aus Sangiovese und ist eine Selektion von den besten Traube, die in dem Jahr der Abfüllung geerntet werden konnten. Der Lodolaio hat deutlich weniger Säure und ist leichter als der Capotondo. Kirsche, Himbeere und Kokos und gerösteter Kaffee lassen sich beim Tasting dieses reinrassigen Sangiovese-Kunstwerks leicht identifizieren. Elegantes Tannin und ein Finish aus Vanille und Bitterschokolade machen den Genuss des reinrassigen Sangiovese-Weines perfekt.
Das Terroir des Lodolaio liegt auf rund 500-600 Metern Höhe. Nach seiner Umfüllung für den Ausbau lagert der Lodolaio für 12 Monate in unbenutzten Eichenfässern. Nach zwei Jahren im Keller erfolgt die Abfüllung und ein weiteres Jahr Lagerung in der Flasche, bevor der Wein schließlich in den hauseigenen Verkauf kommt.
Lodolaio 2013
Ein Jahrgang früher finden wir den 2013er Lodolaio, der ebenso aus 100% Sangiovese besteht, allerdings für zwei Jahre im Eichenfass ausgebaut wird. Das erste Jahr Ausbau wurde im unbenutzten Barrique absolviert, während für das zweite Jahr der Lagerung ein älteres Fass mit vorheriger Ausbaugeschichte herangezogen wird. Das macht den 13er Lodolaio noch etwas weicher, vollmundiger und erwirkt einen fruchtig-weichen Abgang mit harmonischer Säure, der uns noch lange im Gedächtnis bleibt.
Madonnino Chianti Classico Gran Selezione

Das Gran Selezione lässt beim Madonnino großes erwarten. Und er liefert großes aus roter Frucht, Würze und weiches Tannin mit einem langsam abklingenden Abgang.
Mit 94 Punkten im Gilbert & Gaillard Guide 2018 fordert uns der Madonnino nahezu zum Tasting heraus. Der Chianti Classico Gran Selezione Madonnino 2012 besteht aus reinem Sangiovese und wird im Weingut Madonnino kreiert, das sich über die Kirche von Santa Maria Novella in Castelvecchi erstreckt. Der Madonnino wird nur aus den besten Ernten gekeltert, weshalb längst nicht in jedem Jahr eine Abfüllung für diesen außerordentlichen und komplexen Chianti Rotwein übrig ist.
Für 42 Monate reift der Wein in nagelneuen Eichenfässern, die zum Ende hin eine weitere Ausbaustufe durch sorgfältig ausgewählte Barriques erfahren. Mit seiner dunklen, rubinroten Farbe erinnert der Madonnino vielmehr an ein Getränk, das aufgrund seiner Schwere und Würze eher für den meditativen Einsatz tauglich ist und weniger zum Essen gereicht werden sollte.
Mit roten Früchten, Nuancen von frischem Rosenduft und ausgeprägter Würze aus Pfeffer und Vanille lässt uns der Madonnino mit einem langen Abgang zurück, der uns zweifellos in einer Art von innerlicher Meditation zurücklässt. Beeindruckend.
Solana 2015
Zur absoluten Weinspitze aus Castelvecchi gehört der Solana, dessen Jahrgänge nur in seltenen Jahren herausragender Ernten geboren werden. Der Solana besteht aus 50% Sangiovese, 25% Merlot und 25% Syrah, was sich in einer außergewöhnlichen Balance aus Frucht, Säure, Süße und Würze bemerkbar macht. Die Reifung erfolgt ebenfalls mindestens 12 Monate in frischen Eichenfässern, bevor der Chianti in die Flasche abgefüllt wird. Wie lange er dort reift, ist ganz individuell. In der Regel sind es viele, viele Jahre, bevor ein Solana schließlich bereit für den Verkauf im Castelvecchi ist.
Sobald der Solana sich im Rachenraum ausbreitet, erfahren wir ein beeindruckendes Zusammenspiel aus balsamischen Kräutern, Heidelbeere, Erdbeere, Schokolade, Kaffee und kandierten Früchten, die zusammen mit dem pfeffrigen Bukett und einem Duft aus Rose ein Genusserlebnis bescheren, das uns für lange Zeit an die Toskana erinnern wird. Apropos Zeit. Auch der Abgang beim Solana ist nicht nur rund, sondern erstreckt sich außergewöhnlich lange. Ich bin sogar der Überzeugung, dass ich noch einige Tage später den Solana mit seinem vollen Charakter vor meinem gustatorischen Augen habe. Ein Glück, dass wir uns ausreichend Weine aus Castelvecchi sichern konnten.